Assads Comeback in die Arabische Liga: Neue Sicherheitslage

    Syrien wieder bei Gipfel:Arabische Liga: Das bedeutet Assads Comeback

    Golineh Atai
    von Golineh Atai
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    Auf ihrem Gipfel in Dschidda will die Arabische Liga nach zwölf Jahren Syriens Machthaber Baschar Al-Assad wieder aufnehmen. Ein verheerendes Signal für Assads Opfer.

    Der syrische Präsident Bashar Al-Assad bei seiner Ankunft in den Arabischen Emiraten. (Archiv)
    Syriens Präsident Bashar Al-Assad bei seiner Ankunft in den Arabischen Emiraten. (Archiv)
    Quelle: epa

    Keine Frage, die Verbrechen des Assad-Regimes seien furchtbar. Aber Saudi-Arabien - wohlgemerkt das Land, das 2012 die USA darum bat, die syrische Opposition zu bewaffnen - müsse jetzt ganz praktisch denken, sagt Ali Al-Shihabi. Der in Washington lebende ehemalige Banker und Politexperte, der dem saudischen Herrscherhaus nahesteht, spricht von einem vorsichtigen Experiment mit Syrien.
    "Man bleibt skeptisch. Illusionen haben die Saudis nicht", betont Al-Shihabi. "Die diplomatischen Beziehungen sind bislang nur konsularisch wieder aufgenommen, nicht auf Botschafterebene."

    Aber es gab keinen anderen Weg. Man kann nicht einfach Syrien weiter sanktionieren und es zerfallen sehen. Man kann nicht vollkommen emotional damit umgehen.

    Ali Al-Shihabi, Banker und Politexperte

    Chinas Einfluss auf Iran setzt Saudi-Arabien unter Druck

    Und so waren saudische Spitzendiplomaten ungewöhnlich hektisch unterwegs in den vergangenen Monaten. Vor allem, nachdem im März China einen Deal ausgehandelt hatte, durch den das Königreich Saudi-Arabien die Beziehungen zum Erzrivalen Iran wieder aufnahm.

    • Am heutigen Freitag kommt die Arabische Liga zu ihrem Gipfel in Dschidda zusammen.
    • Neben Assad reisten unter anderem Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi, Tunesiens Präsident Kais Saied, Libanons geschäftsführender Ministerpräsident Nadschib Mikati und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas an.
    • Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wird auch persönlich zum Gipfel erwartet
    • Die Arabische Liga wurde 1945 gegründet und zählt mit Syrien nun wieder 22 Mitglieder. Syrien war 2011 ausgeschlossen worden.
    • Ägypten, Irak, Jordanien, Libanon, Nordjemen (jetzt Jemen), Saudi-Arabien und Syrien gründeten die Liga.
    • Ziel ist eine noch stärkere Zusammenarbeit etwa in Politik und Wirtschaft sowie die Schlichtung von Konflikten. Quellen: Bundeszentrale für politisch Bildung, dpa

    Das Ziel, so Al-Shihabi: ein Spannungsabbau in der Region. Und die Integration eines feindseligen Störenfrieds, der von regionaler Stabilität nur profitieren könne. "China hat einen enormen Einfluss auf den Iran. Und so konnte Saudi-Arabien darauf vertrauen, dass chinesischer Druck den Iran dazu bringen kann, sich an die Abmachungen zu halten."
    Es waren die zuletzt nur begrenzten Reaktionen der USA auf Spannungen am Golf, die die Saudis und ihre Nachbarn davon überzeugt hätten, nach anderen Wegen zu suchen, um ihre Sicherheit zu gewährleisten. Aber wird der Iran über Nacht sein Verhalten ändern?

    Iran feiert Wiederaufnahme Syriens

    Hardliner in Teheran geben sich gerade als Gewinner. Der vom Obersten Führer Ajatollah Ali Chamenei ernannte Chefredakteur der Keyhan-Zeitung, Hossein Shariatmadari, lobte die Wiederaufnahme Syriens in die Liga als "einen weiteren historischen Sieg für Assad" und scherzte, es sei die Arabische Liga, die zu Assad zurückgekehrt sei und nicht umgekehrt. Als Irans Präsident Ebrahim Raisi jüngst Damaskus besuchte, war arabische Kritik am Besuch kaum noch wahrzunehmen.
    Der ukrainische Präsident Selenskyj ist zum Gipfel der Arabischen Liga ins saudi-arabische Dschidda gereist:
    Vielmehr sind arabische Politik-Analysten sich einig in ihren Erklärungen über die Kehrtwende am Golf: Er sei alternativlos - und der Status Quo unhaltbar.

    Nationale Interessen zuerst. Wenn du deinem Volk dienen willst, musst du die Wirtschaft entwickeln.

    Bader Al-Seif, Historiker

    "Das Leben der jungen Generation - die so charakteristisch ist für den Golf - verbessern, Weichen für die Zukunft legen, kreativ sein. In den Staatsführungen gibt es auch einen Generationswandel", erklärt Bader Al-Seif, Historiker an der Kuwait University.
    "Drogen - die wirtschaftliche Lebensader für Damaskus - , der IS-Terrorismus und Millionen syrische Flüchtlinge - das sind tickende Zeitbomben für unsere ganze Region, die wir entschärfen müssen."

    Geflüchtete Syrer reagieren fassungslos

    In Atarib in Nord-Syrien, direkt an der Frontlinie zwischen Oppositionsgebiet und dem vom Regime kontrollierten Land, sind viele vor Machthaber Assad geflüchtete Syrer fassungslos über die politischen Umwälzungen. Sie fragen sich, ob sie hier oder in arabischen Ländern noch sicher sind.
    "Nach zwölf Jahren Vertreibung, Töten, Bombardieren und Vergasen, nach so viel Leid legen die Araber also die Hände in den Schoß und tun so, als ob nichts passiert sei", sagt Fatima Al-Fadsch.

    Auf welcher Basis wird Assad zurückgebracht in die Liga? Wenn er diese Gebiete hier einnehmen sollte, werden wir Folter erleben - wenn wir nicht gleich getötet werden.

    Fatima Al-Fadsch, Opfer des Assad-Regime

    Die Mutter zweier Söhne verlor zuerst ihre Brüder, dann wurde ihr Mann 2012 verhaftet. Der Demonstrant blieb verschwunden - bis Al-Fadsch acht Jahre später, in den Fotografien des unter dem Namen "Caesar" bekannten syrischen Überläufers, die Leiche ihres gefolterten Mannes erkannte.

    Gibt es Konsequenzen für Assad?

    Bis heute wurde das Regime für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht zur Rechenschaft gezogen. Die Arabische Liga betont, Assads Rückkehr sei an Bedingungen geknüpft. Doch welche genau, bleibt unklar.
    Die Nachrichtenagentur Reuters zitiert diplomatische Kreise, die von einem möglichen Deal sprechen. Das Regime und seine Milizen sollen demnach die Drogenproduktion einstellen - ihr "Captagon" genanntes Amphetamin überflutet die gesamte Region -, außerdem eine Versöhnung einleiten und Flüchtlinge wieder ansiedeln.

    Erpresst Assad mit Drogen?

    Im Gegenzug könnten die Golfländer in den Wiederaufbau investieren. "Assads Erpressungspolitik - mittels Drogen, Flüchtlingen und Terroristen - hat funktioniert. Das ist eine sehr gefährliche Entwicklung", warnt der syrische Menschenrechtsanwalt Mazen Darwish, der in Paris das Zentrum für Medien und Meinungsfreiheit leitet.

    Wenn man sagt, man baut auf und dann kommen die Flüchtlinge zurück, dann vergisst man, dass diese Flüchtlinge vor Kriegsverbrechern geflohen sind, die noch immer an der Macht sind.

    Mazen Darwish, Menschenrechtsanwalt

    "Welche gesetzlichen Sicherheitsgarantien werden den Geflüchteten gegeben? Das ist völlig unklar", betont Darwish. Wir kennen viele Rückkehrer, die in Gefängnissen verschwanden. Nachhaltig ist dieser Prozess in Dschidda nicht. Alle Gründe für den Ausbruch einer noch größeren Krise sind noch da."