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Zwei Jahre nach Machtübernahme:Afghanistans Frauen verlieren ihr Gesicht
von Katrin Eigendorf
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Die Regierung in Kabul schränkt trotz internationaler Kritik die Rechte von Frauen weiter ein. Immer mehr Hilfsorganisationen ziehen sich zurück, die Armut wächst dramatisch.
Zwei Jahre regieren die islamistischen Taliban wieder in Afghanistan. ZDF-Reporterin Katrin Eigendorf ist es gelungen, in das weitgehend isolierte Land zu reisen.09.08.2023 | 28:50 min
Tabasum Rahmani war Journalistin in Afghanistan, doch seitdem die Taliban verfügt haben, dass Frauen nur noch in wenigen Berufen tätig sein dürfen, musste die 22-Jährige ihren Traumberuf aufgeben. Dabei hat sie noch Glück gehabt.
Frauen in Afghanistan haben ihre Rechte unter Taliban verloren
Anders als viele Afghaninnen, die von einem Tag auf den anderen ihre Arbeit verloren, bot ihr ein Verwandter einen Job in seinem Wäschegeschäft in der Mohibzada Einkaufsmeile in Kabul an. Rahmani verkauft nun Unterwäsche und Textilien für Frauen.
Ihre Zukunft sieht düster aus, als Frau habe sie alle Rechte verloren, erzählt sie.
"Wir haben keinerlei Wahlmöglichkeiten mehr, uns Frauen sind alle Wege versperrt", erzählt Rahmani. "Das gilt für die Ausbildung, Berufstätigkeit - und man lebt in ständiger Angst."
Zwei Jahre regieren die islamistischen Taliban wieder in Afghanistan. Katrin Eigendorf ist vor Ort der Frage nachgegangen: Wie kann internationale Hilfe die Menschen erreichen?09.08.2023 | 2:28 min
Schaufensterpuppen dürfen keine Gesichter haben
Jeden Tag kontrolliert die Sittenpolizei die Ladenzeilen. Selbst die Schaufensterpuppen müssen gesichtslos sein und viele Geschäftsleute haben ihnen schwarze Plastiksäcke über die Köpfe gezogen. Auf den Werbeplakaten sind die Gesichter der Frauen überklebt.
Doch im Laden liegt die Unterwäsche noch frei aus, durchsichtige Spitzen-BH und String-Tangas sitzen auf kopflosen Modellen, Seidenstrümpfe in der Auslage der gläsernen Theke. Niemand kann sicher sein, dass die Taliban auch daran irgendwann Anstoß nehmen.
Keine Garantie, dass Taliban weiter den Job erlauben
Dass Rahmani überhaupt noch arbeiten darf, verdankt sie vor allem ihrer Hartnäckigkeit. Die Taliban seien mehrmals gekommen und hätten verlangt, dass sie nicht mehr verkaufe, erzählt die 22-Jährige. "Und ich sagte: 'Ja aber wo sollen denn die Frauen ihre Sachen einkaufen?'"
Proteste in Afghanistan 2021 vor allem von Frauen
Nur noch wenige Afghaninnen äußern sich gegenüber Journalisten so offen wie die 22-Jährige. In den ersten Monaten nach der Machtübernahme waren es vor allem junge Frauen, die auf den Straßen von Kabul lautstark und mutig protestierten und sich den Taliban entgegenstellten.
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Frauen im Kampf um ihre Rechte auf sich allein gestellt
Inzwischen treffen sich die afghanischen Aktivistinnen nur noch im Geheimen und organisieren öffentliche Proteste spontan, in kleinen Gruppen. Ihre Namen wollen sie im Interview nicht nennen, denn sie fürchten Folter, Prügel und Gefängnisstrafen.
Immer wieder wurden die Proteste von Frauen von der Polizei mit Schlagstöcken und sogar auch mit Schüssen auseinandergetrieben. Für die Regierung sind sie gefährliche Verbrecherinnen.
Und doch scheinen die rund 30 Afghaninnen, die ich an einem Nachmittag in einer Privatwohnung im Zentrum von Kabul treffe, entschlossen weiterzumachen. Sechs unterschiedliche Gruppen mit Mitgliedern im ganzen Land wollen sich zusammenschließen. Die Angst ist immer dabei, und der Mut, so scheint es, entspringt großer Verzweiflung.
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Keine Hoffnung auf Hilfe durch internationale Gemeinschaft
Auf die internationale Gemeinschaft setzen sie kaum noch Hoffnungen, seitdem die USA und ihre Verbündeten das Land im Sommer 2021 verlassen haben.
"Ja, wir haben natürlich Angst - aber die müssen wir unterdrücken, damit wir unsere Rechte bekommen. Die Taliban werden uns nicht unsere Rechte geben und auch nicht die Vereinten Nationen oder die Amerikaner", sagt eine Afghanin.
"Wir müssen der Angst ins Gesicht sehen, dass uns die Taliban verprügeln und foltern und sogar umbringen und zwar so lange, bis entweder unsere Generation oder die nächste Generation ihre Rechte bekommt", so die Frau, die ihren Namen nicht nennen will.
Afghanistan: Keine Hilfe von Männern für Frauen
Anders als im Iran haben die Männer in Afghanistan den Frauen nicht zur Seite gestanden. Viele Afghaninnen fürchten sich sogar vor ihren Brüdern, Vätern oder Ehemännern, aber auch vor Verwandten und Nachbarn, die sie jederzeit verraten könnten.
Sahar (Name geändert) ist 24 Jahre alt und erzählt, wie ihr Bruder sie bedroht und verprügelt habe, so stark, dass ihre Lippe verletzt wurde. Dass die Taliban sie verfolgten, sei eine Sache. Aber die eigene Familie, das empfinden einige von ihnen als besonders bitter.
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Eine ganze Generation ihrer Zukunft beraubt
Rahmani hat Glück mit ihrer Familie. Ihr Bruder teilt ihren Schmerz um die verlorene Zukunft. Auch er lehnt das Regime der Taliban ab. Ihre Generation sieht sich ihrer Zukunft beraubt.
"Innerhalb der Familie können wir offen über alles reden, mein Bruder und meine Schwester sind ja auch überall von allen möglichen Einschränkungen betroffen", sagt Tabasum Rahmani.
Gut ausgebildete Frauen zur Untätigkeit verdammt
In der Wohnung, in der sie mit ihren Eltern und Geschwistern lebt, zeigt die 22-Jährige eine Mappe mit Auszeichnungen und Diplomen. Sie sei einmal ein sehr aktives Mädchen gewesen, eine ausgezeichnete Schülerin und Studentin.
Und sie hatte die Hoffnung, dass auch ihre jüngeren Schwestern den Weg einschlagen könnten. Gut ausgebildete Frauen könnten viel zum Wohlstand und der Entwicklung des Landes beitragen. Jetzt sind sie zum Schweigen und zur Untätigkeit verdammt.
Katrin Eigendorf ist mehrfach ausgezeichnete ZDF-Reporterin. Unter anderem wird sie mit dem diesjährigen Augsburger Friedenspreis geehrt. Neben Afghanistan berichtete Eigendorf auch aus der Ukraine, Russland, dem Libanon, dem Irak und aus der Türkei.
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