Jörg Meuthen tritt als AfD-Chef zurück und verlässt Partei

    Jörg Meuthen verlässt AfD:Meuthen: "Wie ein Feldherr ohne Truppen"

    von Julia Klaus
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    AfD-Chef Jörg Meuthen tritt von seinem Amt zurück und verlässt zugleich auch seine Partei. Dem Verfassungsschutz dürfte das weitere Argumente für eine Beobachtung liefern.

    Paukenschlag bei der AfD: Der langjährige AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen kehrt der Partei den Rücken. Er habe sein Amt niedergelegt und die AfD verlassen, bestätigte Meuthen dem ZDF.
    Zuvor hatte Meuthen seine Entscheidung gegenüber WDR, NDR und ARD-Hauptstadtstudio erklärt und dort gesagt:

    Das Herz der Partei schlägt heute sehr weit rechts.

    Jörg Meuthen, ehemaliger AfD-Parteivorsitzender

    Teile der AfD stünden "nicht auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung". Er sehe da:

    Ganz klar totalitäre Anklänge.

    Jörg Meuthen

    Als Parteichef mit seinem Einsatz für einen anderen Weg sei er gescheitert. Gerade in der Corona-Politik habe die AfD "etwas Sektenartiges" entwickelt. Allenfalls als ostdeutsche Regionalpartei sehe er noch eine Zukunft für die AfD.
    Jörg Meuthen im Gespräch mit Christian Sievers, Mainz/Berlin 28.01.2022
    Die AfD habe einen immer radikaleren Kurs eingeschlagen, so Jörg Meuthen. Den sei er nicht bereit mitzugehen. Auch sei der Vorstand ihm in wichtigen Fragen nicht mehr gefolgt. Meuthen hat den AfD-Vorsitz niedergelegt und seinen Parteiaustritt erklärt.28.01.2022 | 8:27 min
    Dem ZDF sagte er:

    Ich habe mich zunehmend wie ein Feldherr ohne Truppen gefühlt.

    Jörg Meuthen, Ex-Parteichef

    Sehen Sie hier das Interview in voller Länge:

    Meuthen will seinen Sitz im EU-Parlament behalten

    Meuthen war seit Juli 2015 einer von zwei Bundessprechern der rechtspopulistischen Partei. Der Wirtschaftswissenschaftler sitzt im Europaparlament und will seinen Sitz dort auch behalten.
    Er haderte schon lange mit seiner Partei. Mit seinem Vorschlag, der deutlich radikalere Teil der AfD "Der Flügel" solle sich abspalten, zog er den Unmut vieler auf sich. Meuthen hatte sich auch gegen einige Verschärfungen im Programm seiner Partei ausgesprochen, etwa gegen den Dexit, den Austritt aus der Europäischen Union.

    Verfassungsschutz könnte Meuthen-Austritt als Beleg für Radikalisierung werten

    Bereits im Herbst hatte er angekündigt, nicht noch einmal für den Vorsitz kandidieren zu wollen. Eigentlich hätte bereits im Dezember auf einem Parteitag eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger für ihn gewählt werden sollen. Das wurde dann aber aufgrund der Corona-Pandemie verschoben. Zuletzt war die Wahl für Juni angedacht gewesen - so lange wollte Meuthen aber offenbar nicht warten.
    Ein Schriftsatz, den der Verfassungsschutz im Rechtsstreit mit der AfD in Auftrag gegeben hat und der ZDFheute vorliegt, wertet seinen angekündigten Rückzug als Niederlage gegenüber den Radikaleren in der Partei.
    Die Partei könnte im März als Ganzes beobachtet werden. Sein Austritt könnte der Geheimdienst nun als weiteres Argument für eine Gesamtbeobachtung nutzen. Der Verfassungsschutz sagte ZDFheute, er wolle sich mit Rücksicht auf das laufende Gerichtsverfahren nicht äußern.

    AfD-Vorstand vom Rückzug "völlig überrascht"

    ZDFheute hat noch vor ihrer Vorstandssitzung Parteichef Tino Chrupalla, Stephan Brander und Joana Cotar mit Meuthens Rückzug konfrontiert - alle sagten, sie seien von seinem Schritt völlig überrascht worden. Das Verhältnis zu vielen im Vorstand ist unterkühlt. In einem ARD-Interview nannte Meuthen mehrere seiner Widersacher namentlich:

    Chrupalla, Weidel, Gauland, Höcke, Brandner nicht zu vergessen - die werden sich richtig freuen, dass der Meuthen nun endlich weg ist.

    Jörg Meuthen

    Weiter fügte er hinzu: "Haben sie lange dran gearbeitet."
    Im ZDF sagte er, er sei auch von Alexander Gauland enttäuscht, mit dem er anfangs gut zusammengearbeitet habe, der ihm dann aber in den Rücken gefallen sei. "Das ist auch eine menschliche Enttäuschung."
    ZDFHeute Fallback Bild
    Der Milliardär Henning Conle soll mehr Geld als bisher bekannt an die AfD geschleust haben. Das behauptet die frühere AfD-Chefin Frauke Petry gegenüber Frontal21 und CORRECTIV. 16.06.2021 | 4:48 min

    Co-Fraktionschefin Weidel und Sprecher Brandner zu Meuthen-Rücktritt

    Alice Weidel, Co-Fraktionschefin der AfD, hat scharf auf Jörg Meuthens Interview reagiert. Gegenüber dem ZDF sagte sie: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Parteiaustritt Meuthens nicht in einem Zusammenhang mit der Aufhebung seiner Immunität im Europaparlament zu tun hat."
    Weiter heißt es:

    Dass er nun ideologische Gründe vorschiebt und die Partei, der er lange vorgestanden ist, mit Schmutz bewirft, spricht nicht von Charakter.

    Alice Weidel, Co-Fraktionschefin AfD

    Stephan Brandner, stellvertretender Bundessprecher der AfD, erklärte gegenüber dem ZDF, dass es "eine gute Entscheidung" Meuthens sei:

    Er hat in den letzten Jahren kein glückliches Händchen bewiesen, aber das war mal eine gute Entscheidung.

    Stephan Brandner, stellvertretender Bundessprecher AfD

    Laut Brandner habe sich Meuthen in den "letzten Jahren vergaloppiert", etwa bei der Spitzenkandidatur zur Bundestagswahl. Auf die innerparteiliche Architektur habe der Rücktritt "keine große Auswirkungen".
    AfD-Chef Jörg Meuthen vor Beginn der Verhandlung .
    Stürzt Meuthen über die Spendenaffäre?24.06.2020 | 3:07 min
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    Parteispendenaffäre: Aufhebung seiner Immunität

    Meuthen war zuletzt auch wegen einer Parteispendenaffäre unter Druck geraten. ZDF frontal und Correctiv hatten ihm die Annahme illegaler Wahlhilfe von der Schweizer Goal AG und persönliche Kontakte zum Milliardär Henning Conle nachgewiesen. Der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments hat deswegen für die Aufhebung seiner Immunität gestimmt. 
    Meuthen ist seit Ende 2017 EU-Abgeordneter und stellvertretender Vorsitzender der Fraktion Identität und Demokratie.
    Sein Austritt steht in einer Reihe mit den Abgängen anderer ehemaliger Parteichefs: Bernd Lucke war ausgetreten und hatte eine neue Partei gegründet, auch Frauke Petry hatte diesen Schritt gewagt - beide aber ohne politische Erfolge. Über seine Zukunft machte Meuthen nur vage Aussagen, doch: "Ich werde nicht einen Aufruf machen, es sollen Scharen von Menschen die AfD verlassen".
    Mehr Infos rund um die AfD finden Sie hier:

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    :AfD

    Die AfD ist eine Oppositionspartei im Bundestag. Für den Verfassungsschutz ist sie ein Verdachtsfall; ihre Jugendorganisation wird als rechtsextrem eingestuft. News & Hintergründe.
    Archiv: Das Logo der AfD
    Quelle: Mit Material von AFP, Reuters, dpa
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