Mietkrise in Großbritannien: Wenn Wohnen Luxus ist

    Mietkrise in Großbritannien:Nicht nur in London ist Wohnen Luxus

    Andreas Stamm
    von Andreas Stamm, London
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    Home sweet home! My home is my castle! Geflügelte, englische Worte. Die Realität sieht anders aus. Wohnen, mieten, kaufen ist schon jetzt für viele Briten unerschwinglich.

    Vor dem Hintergrund von Bankhochhäusern in Canary Wharf in London, Großbritannien, 30. Oktober 2015, stehen Wohnhäuser.
    Nicht nur in London - in vielen britischen Städten ist Wohnen kaum bezahlbar.
    Quelle: Reuters

    Klein, fein, endlich mein - voller Stolz präsentiert Louise Hemfrey ihr Ein-Zimmer-Apartment. Sie und ihr Partner Joe haben zwei Monate lang gesucht. Haben dutzende Besichtigungen hinter sich, für die sie teils bezahlen mussten. Wo sie auf hunderte Mitbewerber trafen. Und gefragt wurden, ob man sechs Monatsmieten im Voraus bezahlen könne, sonst hätten sie sowieso keine Chance.

    Wohnungsglück trotz Schimmel an den Wänden

    Umgerechnet 1.600 Euro kalt war ihr Limit. Dafür mussten sie weit rausziehen, weit weg von ihren Jobs und ihren Träumen von zentraler Lage in London. Die Beiden sind Anfang dreißig, studiert, gute Jobs. Dass sie unter diesen Umständen nichts Besseres finden können, empfinden sie als krass.
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    Die Liste der Mängel in ihrer 45-Quadratmeter-Bude ist lang. Gerade geht der Kühlschrank nicht. Dafür nach zwei Monaten nur kaltem Wasser der Boiler wieder. Immerhin lauwarmes Nass. Dennoch sind sie happy. Denn später eingezogene Nachbarn zahlen schon 500 Euro mehr für die gleiche Größe.
    Das Wohnhaus, erzählt Louise, sei schlecht isoliert. Feuchtigkeit und Schimmel gehören ja zum britischen Wohnen dazu. Sie habe noch nie ohne gelebt.

    Aber hier wachen wir im Winter morgens auf, und das Wasser läuft in Strömen von den Fenstern runter. Entfernst du den Schimmel, kommt er Tage später wieder die Wände hochgekrochen.

    Louise Hemfrey, Mieterin

    Ursache: verfehlte Wohnungspolitik landesweit

    Die Gründe für die Mietmisere im ganzen Land, sei eine verfehlte Politik, erklärt Stadtplanungsexpertin Anna Minton von der Universität East London. Der soziale Wohnungsbau wurde eingestellt. Millionen erschwinglicher Sozialwohnungen durften verkauft werden. Seitdem regelt allein der Markt die Mietpreise.

    • 3.8 Millionen Erwachsene in England leben bei ihren Eltern. 700.000 mehr als vor zehn Jahren. Hauptgrund: Geldmangel.
    • Mietpreise in Großbritannien steigen aktuell mit mehr als vier Prozent so stark wie nie; in London sogar um 20 Prozent.
    • 180.000 Familien müssen in Flur, Bad, Küche oder Wohnzimmer schlafen. Eine halbe Millionen Kinder und Jugendliche schlafen bei den Eltern im Zimmer. Grund: Platzmangel.
    • Laut Studien fehlen 4.3 Millionen Häuser und Wohnungen. Selbst wenn die britische Regierung das Ziel von 300.000 Neubauten im Jahr schaffen sollte, herrscht rechnerisch Notstand bis 2075.

    Und die steigen, momentan so stark wie nie. Londoner würden mittlerweile im Schnitt mehr als die Hälfte ihres Einkommens für das Wohnen ausgeben, so Minton.

    Und Studien zeigen, dass wer mehr als ein Drittel dafür hinlegen muss, verstärkt unter psychischen Problemen leidet.

    Anna Minton, Stadtplanungsexpertin

    Forderung: Mietpreisdeckel und sozialer Wohnungsbau

    Nur mit einem großen Eingriff der Politik in den Markt könne das Problem angegangen werden, erklärt Anna Minton. Einen Mietpreisdeckel einführen. Ein umfangreiches soziales Wohnungsbauprogramm auflegen.
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    Und den Kampf gegen Spekulanten und Mietpreishaie aufnehmen. Eines ihrer Opfer ist Lyn Pearman. Die nun im Campingbus lebt, in Margate, an der Küste, zwei Autostunden von London.
    Nachdem sie aus ihrer Wohnung rausgeworfen wurde, verkaufte sie alle Wertsachen, um den Van bezahlen zu können.

    Mieterhöhungen führen oft zu Wohnungslosigkeit

    "Was habe ich zu verlieren", erklärt die 66-jährige." Ihre Rente plus Wohnzuschuss hätten nicht mal für ein Zimmer gereicht.

    Dazu die steigenden Lebenshaltungskosten. All die anderen Rechnungen. Ich hätte nicht überleben können.

    Lyn Pearman, lebt in einem Campingbus

    Eine Mieterhöhung von umgerechnet 500 auf 820 Euro wurde Lyn zum Verhängnis. Sie war Fitnesstrainerin, hat ihre demente Mutter gepflegt. Die Rente reicht nun für Sprit, 12 Euro am Tag fürs Essen, und geduscht wird bei Freunden. Ihr gehe es ok, sagt sie. "Mal sehen, wie das in sechs Monaten ist, wenn der Winter mich frieren lässt."

    Wohnung mieten ist teuer, Eigenheim kaufen unmöglich

    Ein warmes Eigenheim kaufen, das haben auch Louise und Joe durchgerechnet. Utopisch. Die waghalsige Finanzpolitik der Regierung hat im vergangenen Jahr die Kreditzinsen zusätzlich in die Höhe getrieben.
    Kein Wunder, so Louise, dass die Konservativen gerade von jungen Wählern verschmäht werden.

    Ich würde das Land so gerne verlassen.

    Louise Hemfrey, Mieterin

    Sie bereue, dass sie sich während des Studiums in der Schweiz nicht mehr reingehängt habe, um dort bleiben zu können. Denn Wohnen, Mieten, Kaufen ist in Großbritannien auf dem besten Weg zur Sache der Reichen und Schönen zu werden.
    Die Mächtigen allerdings, die konservative Regierung, könnte der Mangel an bezahlbarem Wohnraum im kommenden Jahr mit aus dem Amt fegen.

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