Terra X - die Kolumne: Warum uns Wasser teuer sein sollte

    Terra X - die Wissens-Kolumne:Warum uns Wasser teuer sein sollte

    von Klement Tockner
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    Die Inflation treibt die Preise nach oben. Drohen uns auch für Wasser absurde Preise? Warum ein radikales Umdenken für sauberes Trinkwasser nötig ist.

    Terra X - Die Wissens-Kolumne: Klement Tockner

    In der Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker sowie Gastexpert*innen jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.
    Vor Kurzem wurde ein besonders hochwertiges Mineralwasser im Salzkammergut in Österreich gefunden. Im Handel kostet es stolze 8,50 Euro pro 0,75 Liter und ist damit um ein Mehrfaches teurer als Benzin. Dieses Beispiel zeigt: Wasser ist eine lebensnotwendige und nicht ersetzbare Ressource, wofür einige sogar bereit sind absurde Preise zu bezahlen. Dabei kann man in weiten Teilen Europas hochwertiges Trinkwasser ohne Bedenken aus der Leitung beziehen - im Vergleich zu abgefülltem Wasser zu einem Bruchteil an Kosten und an Lasten für die Umwelt. Noch.
    Faszination Deutschland mit Jasmina Neudecker - Glas mit Wasser
    Macht es einen Unterschied, welches Mineralwasser ich trinke? Denn gerade um sehr teures Wasser ist ein Hype entstanden – da lohnt sich die wissenschaftliche Prüfung.15.02.2021 | 14:34 min

    Sauberes Wasser ist keine Selbstverständlichkeit

    Weltweit gibt es zwar genügend Süßwasser, doch es ist ungleich verteilt - sowohl im Raum als auch in der Zeit. Erderwärmung und Übernutzung der Natur verstärken den Mangel an Wasser, auch bei uns in Deutschland.
    Zugleich nimmt die Qualität des Wassers ab. Wir entlassen insgesamt 350.000 synthetische Chemikalien wie Pestizide, hormonaktive Stoffe, Mikroplastik oder Nanopartikel in die Umwelt, ohne genau zu wissen, welche Auswirkungen diese auf die biologische Vielfalt und schlussendlich auf uns Menschen haben. Diese Stoffe sammeln sich an den tiefsten Stellen in der Landschaft - in Bächen, Seen und im Grundwasser.

    Flüsse und Seen als einzigartige Lebensräume

    Wasser ist nicht nur eine Ressource für uns Menschen. Flüsse und Seen sind einzigartige Lebensräume mit einer mannigfaltigen Fauna und Flora. In ihrer Vielfalt sind diese Gewässer ohne weiteres mit tropischen Regenwäldern oder Korallenriffen vergleichbar.
    Diese Vielfalt verschwindet derzeit rascher als an Land oder im Meer. Es besteht somit ein zunehmender Konflikt zwischen der Nutzung der kostbaren Ressource Wasser - für den Haushalt, die Landwirtschaft und die Industrie - und dem Schutz der Gewässer als wertvollen Lebensraum.
    Wir benötigen hybride Lösungen, um Gewässerschutz und damit das Bereitstellen von sauberem Trinkwasser - bezahlbar für alle - zu gewähren. Es geht darum, mit einer systemischen Herangehensweise Synergien zwischen technischen und naturbasierten Lösungen zu finden.

    New York als Beispiel für gute Wasserversorgung

    Die Wasserversorgung der Stadt New York zeigt, wie es funktionieren kann: Als dort in den 90er Jahren sauberes Trinkwasser knapp wurde, stand die Stadt vor der Wahl - entweder konnten sie in industrielle Wassertechnik investieren oder in den Schutz der bewirtschafteten "Catskills Mountains", die der Stadt seit Jahrhunderten Trinkwasser liefert. New York entschied sich für Letzeres: Durch die natürliche Reinigung des Wassers in der nachhaltig bewirtschafteten Landschaft hat die Stadt nun hervorragendes Trinkwasser und spart zugleich mehr als 200 Millionen Dollar im Jahr für die Wasseraufbereitung.
    Auch in Deutschland wird viel in die Renaturierung von Gewässern investiert. Eines der ambitioniertesten Projekte war die Umwandlung der nordrhein-westfälischen Emscher von einer Kloake in ein Naturparadies. Es hat 30 Jahre gedauert und 5,5 Milliarden Euro gekostet. Aber es hat sich gelohnt. Renaturierung schafft nicht nur wertvollen Lebens- und Erholungsraum, sie dient auch dem Hochwasserschutz.

    Überschwemmungen als größte Naturgefahr

    Dieser ist wichtiger denn je. Das hat uns die Ahrtal-Katastrophe im vergangenen Jahr gezeigt. Allein dieses Hochwasser kostete mehr als 130 Menschen das Leben und verursachte Schäden in Höhe von 29,2 Milliarden Euro.
    Weltweit zählen Überschwemmungen zu den häufigsten und größten aller Naturgefahren: Zwischen 1994 und 2013 waren 43 Prozent aller registrierten Naturkatastrophen Hochwasser. Im 20. Jahrhundert forderten Überschwemmungen durch Flüsse etwa sieben Millionen Todesopfer.

    Hochwasserschutz durch Natur

    Anstatt rein auf bauliche Maßnahmen wie Deiche oder künstliche Rückhaltebecken zu setzen, sollten verstärkt "naturbasierte Lösungen" zum Einsatz kommen, indem zum Beispiel Flüsse, Auen, Feuchtgebiete und Wälder renaturiert oder Flächen entsiegelt werden. Solche naturbasierten Lösungen erhöhen den Wasserrückhalt in der Landschaft und somit auch die Resilienz gegenüber Hochwasserereignissen. Ein naturnaher Mischwald speichert z.B. 200 Liter Wasser pro Quadratmeter, während eine Monokultur nur 60 bis 75 Liter auffangen kann.
    Schutz der Natur bedeutet in vielen Fällen auch Schutz für uns Menschen. Auch hier gilt: Vorsorge ist besser, kostengünstiger und sozial gerechter als Heilung. Wir benötigen kombinierte technische und natürliche Lösungen, um mit den zunehmenden Risiken umzugehen - für unser aller Wohlergehen!
    Plastik schwimmt im Wasser, Dirk Steffens im Vordergrund
    Wasser scheint ein unerschöpfliches Element zu sein, von dem alles Leben auf der Erde abhängt. Doch der menschliche Einfluss ist weltweit spürbar: Wir verschmutzen es, bauen Landschaften um und greifen damit in wichtige Naturkreisläufe ein.22.03.2020 | 43:42 min

    ... ist als renommierter Gewässerökologe seit Januar 2021 Generaldirektor der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung. Sein Forschungsinteresse gilt der Dynamik, der Biodiversität und dem nachhaltigen Management von Gewässern. Der gebürtige Österreicher wuchs als siebtes von neun Kindern auf einem Bauernhof in einer entlegenen Gegend in der Steiermark auf - im Winter fuhr er mit dem Schlitten in die Schule.

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