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Interview
Gefängnis ohne Mauern:Bestraft und doch nicht weggesperrt
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Im Seehaus Leonberg setzt sich Irmela Abrell für Strafvollzug ein, der gesellschaftliche Wiedergutmachung anstrebt. Dort gibt es für jugendliche Straftäter im Vollzug keine Mauern.
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In einem großen Fachwerkhaus bei Stuttgart wohnen straffällig gewordene Jugendliche in familiengeführten WGs zusammen. In der Gemeinschaft erlernen sie neue Strukturen und überdenken alte Verhaltensmuster.
Irmela Abrell gehört zum Gründungsteam des Seehaus. Im ZDF Interview erklärt sie, welches Potential sie in den neuen Wegen im Strafvollzug sieht.
ZDFheute: Wie erleben Sie den Jugendstrafvollzug in Deutschland?
Irmela Abrell: Jugendstrafvollzug ist in Deutschland zwar schon lange keine reine 'Verwahrstation'` mehr. Es gibt viele Ausbildungsmöglichkeiten und auch therapeutische und sozialpädagogische Angebote.
Quelle: Privat: Irmela Abrell
… hat Sozialpädagogik studiert und zwei Jahre in der JVA Ravensburg gearbeitet. 2003 ist sie mit ihrem Mann ins Seehaus Leonberg gezogen, um dort den Strafvollzug in freien Formen mit aufzubauen.
Als Hauseltern haben sie mit ihren drei eigenen Töchtern und fünf bis sieben straffälligen Jugendlichen im Seehaus zusammen gelebt. 2011 hat sie das Programm "Opfer-Täter im Gespräch" eingeführt. Inzwischen leitet Irmela Abrell den Jugendstrafvollzug und setzt sich für Restorative Justice ein.
Als Hauseltern haben sie mit ihren drei eigenen Töchtern und fünf bis sieben straffälligen Jugendlichen im Seehaus zusammen gelebt. 2011 hat sie das Programm "Opfer-Täter im Gespräch" eingeführt. Inzwischen leitet Irmela Abrell den Jugendstrafvollzug und setzt sich für Restorative Justice ein.
Allerdings ist soziales Lernen in einem positiven Gruppenkontext oft nicht möglich. Es herrscht eine eigene 'Gefängniskultur', die für das straffreie Leben in Freiheit nicht förderlich ist.
Grundlegend dafür ist bestimmt die Unterbringung in kleineren Anstalten. Im Gesetz steht: "Das Leben im Jugendstrafvollzug soll den allgemeinen Lebensverhältnissen junger Menschen in Freiheit soweit wie möglich angeglichen werden." (§2 JvollzGB-BW). Von diesem Anspruch ist der Jugendstrafvollzug vielerorts noch weit entfernt.
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ZDFheute: Was müsste konkret getan werden, damit die jungen Häftlinge zukünftig straffrei bleiben?
Abrell: Wenn man betrachtet, wie die jungen Menschen vor ihren Taten bisher gelebt haben, erkennt man, dass sie vor allem Regeln und einen gegebenen Rahmen nicht einhalten können. So haben sie oft keinen Schulabschluss.
Quelle: picture alliance / dpa | Daniel Maurer
... zum alternativen Jugendstrafvollzug gibt es in Leonberg bei Stuttgart und in Leipzig. Straftäter zwischen 14 und 23 Jahren können sich aus der Haft heraus für einen Platz bewerben. In den letzten 20 Jahren haben 260 Straftäter das Programm absolviert. 90 Prozent der Jugendlichen schaffen hier einen Bildungsabschluss und sogar 99 Prozent können nach ihrer Entlassung in Ausbildung oder Arbeit vermittelt werden. Ca. 75 Prozent werden nicht wieder straffällig.
Daraus ergibt sich, was getan werden muss: Sie müssen lernen, ihren Tag zu strukturieren, pünktlich zur Arbeit und Schule zu kommen. Sie müssen Strategien zur Problemlösung einüben, ihre Impulse und Aggressionen kontrollieren lernen und ihre Fähigkeiten entdecken. Das versuchen wir im Seehaus umzusetzen.
ZDFheute: Welcher Strafvollzug wird dort verfolgt?
Abrell: Das Seehaus Leonberg ist ein Strafvollzug in freien Formen. Es ist eine dritte Form des Strafvollzugs neben dem offenen und geschlossen Vollzug, den es in Baden-Württemberg, in Sachsen und Brandenburg gibt, und für den seit neuestem auch in Berlin die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen wurden.
Außerhalb von Gefängnismauern wird straffälligen Jugendlichen die Chance gegeben, sich auf ein Leben ohne Straftaten vorzubereiten.
ZDFheute: Sie setzen sich für Restorative Justice ein und haben das Programm "Opfer-und-Täter im Gespräch", kurz OTG, gestartet. Was ist das?
Abrell: Das OTG hat das 'Sycamore Tree Programm' aus Neuseeland als Vorbild. Bei dem Programm treffen sich auf freiwilliger Basis vier bis fünf Täter und Opfer von Straftaten in sechs begleiteten Sitzungen.
Quelle: Imago
(Symbolfoto)
… ist ein neuerer Ansatz in der Strafjustiz, der sich auf die Wiedergutmachung des Schadens fokussiert, der dem Menschen zugefügt wurde, und nicht auf die Bestrafung der Täter. Das Konzept entstand in den 1970er Jahren und wurde stetig erweitert. Heute ist die Einbindung des Umfelds und der Familien sowohl auf Opfer- als auch auf Täterseite ein wichtiger Bestandteil, um Versöhnung und Vertrauen auf beiden Seiten wieder herzustellen.
… ist ein neuerer Ansatz in der Strafjustiz, der sich auf die Wiedergutmachung des Schadens fokussiert, der dem Menschen zugefügt wurde, und nicht auf die Bestrafung der Täter. Das Konzept entstand in den 1970er Jahren und wurde stetig erweitert. Heute ist die Einbindung des Umfelds und der Familien sowohl auf Opfer- als auch auf Täterseite ein wichtiger Bestandteil, um Versöhnung und Vertrauen auf beiden Seiten wieder herzustellen.
Die teilnehmenden Opfer sind nicht direkte Opfer dieser Täter. Es soll ein Austausch ermöglicht werden, über Wiedergutmachungsmöglichkeiten nachgedacht und weitere Straftaten vermieden werden.
Quelle: ZDF
Mehr Dokumentationen von plan b und Hintergründe dazu finden Sie jederzeit in der ZDF-Mediathek oder samstags um 17:35 Uhr im TV.
ZDFheute: Wie sind Sie auf die Idee gekommen?
Abrell: Ich kannte das Konzept, konnte mir aber wenig darunter vorstellen und bin unter anderem deshalb nach Neuseeland gereist und habe dort im Gefängnis an dem Programm teilgenommen. Es hat mich in seiner Wirkung wirklich überzeugt, weshalb ich es seit 2011 regelmäßig im Seehaus anbiete. Wir konnten schon vielen damit helfen.
Das Interview führte Pia Schädel.
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