Hörfunk im Wandel:100 Jahre Radio: Es begann in der Dachkammer
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Das Radio feiert seinen 100. Geburtstag: Am 29. Oktober 1923 ging die erste Sendung on Air. Doch welche Bedeutung hat der Hörfunk heute überhaupt noch?
"Achtung, Achtung, hier ist die Sendestelle Berlin" - mit dieser Ansage aus einem Dachzimmer, dessen Wände mit Krepppapier und Stoffdecken schalldicht abgehängt waren, vollzog sich am 29. Oktober 1923 die Etablierung eines neuen Mediums. An diesem Tag startete das erste regelmäßige, deutsche Radioprogramm aus dem Berliner Vox-Haus.
Die erste Sendung, zu der das Publikum noch Kopfhörer brauchte, bestand aus Live-Musik und eingespielten Schellackplatten mit Werken von Mozart, Beethoven, Schumann oder Mendelssohn.
Das Radio erlebte wilde Anfangsjahre. Bereits im Juni 1925 wurde in Berlin ein Rundfunkorchester gegründet. Schon im November gab es dann die erste Live-Reportage von einem Fußballspiel zwischen Preußen Münster und Arminia Bielefeld. 1930 registrierte man in Deutschland mehr als drei Millionen Radiohörer.
Staat hat Radio lange beeinflusst
Der Hörfunk in Deutschland war lange Jahre staatlich gelenkt. Nach der Revolution 1918 und den gewalttätigen Konflikten der frühen Weimarer Republik fürchteten die Regierenden, dass der Funke des Protests durch drahtlose Medien auf die Volksmassen überspringen könnte.
Die Industrie wurde verpflichtet, nur Geräte herzustellen, mit denen empfangen und nicht selbst gesendet werden konnte. Die Nazis trieben die staatliche Kontrolle dann auf die Spitze. Unter den Nationalsozialisten wurde die aufgeblühte Radiolandschaft gleichgeschaltet. Bei Reden von Hitler und Goebbels standen Hunderttausende vor den Lautsprechern stramm.
Ein Volksempfänger aus den Jahren 1937/38. Die Nazis nutzten den Volksempfänger, um ihre Propaganda zu verbreiten.
Quelle: dpa
Mithilfe des Volksempfängers, auch "Goebbels Schnauze" genannt, erreichten die Nazis große Teile der Bevölkerung. Geboten wurde eine Mischung aus Wunschkonzert und Agitation für den "Totalen Krieg".
Allerdings: Hitler zeigte sich im Aufnahmestudio hilflos; er brauchte Publikum. Seine Stimme rieche "etwas nach Hosenboden", schrieb Kurt Tucholsky schon 1922. "Manchmal überbrüllt er sich, dann kotzt er. Aber sonst: nichts, nichts, nichts. Keine Spannung, keine Höhepunkte, er packt mich nicht."
Neuanfang und Siegeszug der Smartphones
Nach 1945 wurde das Radio zum Bildungs- und Entnazifizierungsmedium. Die Bundesrepublik versuchte, sich mit einer staatsfernen, aber öffentlich kontrollierten Rundfunkordnung. Radioreportagen wie das WM-Finale 1954 in Bern schafften es, Millionen vor den Empfängern zu versammeln.
Ab den 60er-Jahren wurden handliche Transistorgeräte verkauft. Man konnte das Kofferradio mit sich herumtragen, im Garten oder im Schwimmbad Rock'n Roll hören. In den 80ern ging dann offiziell der Privatfunk auf Sendung.
Radio immer und überall empfangbar
Die Empfangsgeräte und -möglichkeiten haben sich seit den Anfangsjahren enorm weiterentwickelt. Immer mehr Bürger hören Radio inzwischen über das Internet, denn unter anderem Podcasts ermöglichen ein immer individuelleres Hören. Der Weg zum Publikum läuft auch über spezielle Formate bei TikTok, Instagram und Snapchat.
Bedeutung des klassischen Radios ungebrochen
Heute, 100 Jahre später, nutzen auch dank solcher Entwicklungen noch immer mehr als 90 Prozent der Menschen in Deutschland regelmäßig das klassische Radio. Im Jahr 2020 gaben knapp 53 Millionen Personen ab 14 Jahren an, täglich zwischen Montag und Freitag einen von mehr als 500 Sendern zu hören.
Dabei ist die Radionutzung je nach Geschlecht, Alter, Bildung und Beruf unterschiedlich: 14- bis 29-Jährige verzeichnen etwa die geringste Nutzung, die 50- bis 69-Jährigen weisen eine besonders hohe Affinität zum Radio auf. Unterschiede bei den Hörgewohnheiten gibt es außerdem auch zwischen Ost und West. So wird Radio im Osten nicht nur häufiger, sondern auch deutlich länger gehört als im Westen.
Quelle: KNA, ZDF