Virtual Reality:Ausstellung zeigt NS-Zeitzeugen in 3D
von Katrin Lindner
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Raus aus den Museen, rein in die Hotspots und raus aufs Land. NS-Zeitzeugen gehen bundesweit in einem ersten Praxiseinsatz in einer mobilen Ausstellung auf Reisen. Virtuell.
Zur Eröffnung der Ausstellung kann Ruth Winkelmann noch selbst kommen. Die 94-Jährige weiß, NS-Zeitzeugen wie sie werden immer weniger. Und das ist das Problem. Wer soll Schülern erzählen, wie es war, als die Nazis an die Macht kamen und Angst, Hunger und Tod ihrer Familie brachten? Das kann sie doch selbst am besten. Deshalb hat sie sich der modernsten Technik anvertraut. Nun steckt ihre Geschichte so echt wie möglich in einer VR-Brille.
Fünf Zeitzeugen gehen virtuell auf Reisen
Deshalb hat sie ihr Leben in 36 Kameras erzählt, die sie virtuell wie echt erscheinen lassen, wenn man eine VR-Brille aufsetzt. Sie hat erzählt, wie die Mutter gezwungen wurde, sich von ihrem jüdischen Vater scheiden zu lassen. Wie er wie alle ihre jüdischen Verwandten in Auschwitz ermordet wurde. Wie sie zur Zwangsarbeit musste, durch Zufall der Deportation entging, sich jahrelang versteckte mit ihrer Mutter und ihrer kleinen Schwester, die das nicht überlebte.
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Sie ist eine von zwölf Zeitzeugen, die ihr Leben der virtuellen Realität anvertrauten. Fünf von ihnen gehen jetzt auf Reisen - in einem Projekt von der Brandenburgischen Gesellschaft für Kultur und Geschichte (BGK) und der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf. Christian Zipfel arbeitet für die Filmuniversität, er hat die Interviews geführt und bearbeitet.
Schüler haben an Projekt mitgearbeitet
Schüler sind die Hauptzielgruppe für dieses Projekt. Deshalb hat eine neunte Klasse der Voltaire-Gesamtschule Potsdam daran mitgearbeitet für eine Wanderausstellung, die in ländliche Gebiete und auch an Orte gehen wird, wo rechtsextreme Gewalt aufgetreten ist.
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Die 15-jährige Alissa Beyer gehört zu den ersten Schülern, die das Ergebnis sehen können: "Es ist, als man würde mit ihr am Küchentisch sitzen und ein Gespräch führen." Neben ihr schaut Julia Klostermann, 15 Jahre alt, durch die VR-Brille: "Wie in echt. Man kann noch mal viel besser verstehe, wie es den Leuten gegangen ist."
Bis zum 2. September wird die Ausstellung in Potsdam bleiben. In der Pilotphase geht sie in Brandenburg auf Tour. Danach soll sie nach ganz Deutschland und gern noch viel weiter reisen. Aber Ruth Winkelmann will noch, solange sie kann, Schulen im wirklichen Leben besuchen.
- 29. August bis 2. September 2023: Potsdam, Kutschstallhof am Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte
- 4. bis 7. September 2023: Wittstock/Dosse, Bibliothek im Kontor
- 8. bis 12. September 2023: Kyritz, Marktplatz
- 13. bis 17. September 2023: Pritzwalk, Museumsfabrik
- 20. bis 24. September 2023: Jüterbog, Kulturquartier Mönchenkloster
- 25. bis 30. September 2023: Cottbus, Piccolo Theater Cottbus
- 10. bis 14. Oktober 2023: Finsterwalde, Kunstweberei