300.000 Euro für Missbrauchsopfer vom Erzbistum Köln
Schadensersatz vom Erzbistum:300.000 Euro für Kölner Missbrauchsopfer
von Michael Haselrieder
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Es ist das erste sechsstellige Schmerzensgeld für einen Messdiener. Georg Menne hat das Erzbistum Köln wegen hundertfachen Missbrauchs verklagt. Er bekommt nun 300.000 Euro.
Die Verhandlung in Saal 0142 des Landgerichts Köln erinnert an eine Geschichte aus der Bibel, Altes Testament: der Kampf David gegen Goliath. Klein gegen Groß. In diesem Fall: Georg Menne gegen die katholische Kirche. Menne war in den 70er Jahren als Messdiener von seinem Pfarrer sexuell missbraucht worden, mindestens 320 Mal. Heute hat er vor Gericht Recht bekommen. Die Kirche muss 300.000 Euro Schmerzensgeld zahlen.
Als Georg Menne nach dem Urteilsspruch aus dem Saal kommt, wirkt er gefasst und ein Stück weit erleichtert: "Ich bin froh, dass mir Gerechtigkeit widerfährt", sagt er in die Fernsehkameras.
Misbrauchsopfer leidet bis heute unter Neurodermitis und Migräneanfällen
Denn das, was vor 50 Jahren geschehen ist, belastet ihn bis heute. Er hat viele Therapien hinter sich. Noch immer fällt es ihm schwer über die Vergewaltigungen zu sprechen: "Was Sie sich in Ihrer Fantasie in allen Variationen vorstellen können, ist auch passiert. Ich habe bis heute Neurodermitis, Migräneanfälle - auch häufig, manchmal täglich."
Erstmals hat ein Missbrauchsbetroffener in Deutschland Schmerzensgeld von der Katholischen Kirche gefordert. frontal berichtete über den Fall.13.06.2023 | 3:24 min
Der Täter, der Pfarrer, hat seine Opfer damals fotografiert. Auf dem Bild, das Georg Menne zeigt, ist er 13 Jahre alt. Er liegt halbnackt in einer Duschwanne, die Hände auf den Rücken gefesselt. "Das war praktisch einer der ersten Tests im Keller: Macht der Georg mit?", erinnert sich Menne. "Und dann kann man ja weitergehen." Und der Pfarrer ging weiter.
Georg Menne als 13-Jähriger
Quelle: ZDF
Woelki gegen Verjährung
Menne hatte 805.000 Euro Schmerzensgeld gefordert. Das Erzbistum Köln mit Kardinal Rainer Maria Woelki an der Spitze hatte trotz der lange zurückliegenden Taten keine Verjährung geltend gemacht: "In diesem besonderem Fall hatte ich den Wunsch, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten", teilte Kardinal Woelki vor dem Prozess mit.
In der mündlichen Verhandlung konnten sich beiden Seiten nicht auf einen Vergleich bei der Höhe des Schmerzensgelds einigen. "Ich habe kein Angebot mitgebracht. Aber der volle Betrag kommt für uns nicht in Frage", sagte der Rechtsanwalt des Erzbistums Köln.
Richter: Leben trotz der Verbrechen nicht zerstört
In seiner Urteilsbegründung betonte der Vorsitzende Richter Stephan Singbartl, dem Kläger sei furchtbares Unrecht widerfahren. Das Gericht sei jedoch nicht in den höchsten Schmerzensgeld-Bereich vorgestoßen, weil sein Leben trotz der Verbrechen nicht zerstört worden sei: "Sie leben. Sie haben geheiratet. Sie haben Kinder. Sie haben gearbeitet", sagte Richter Singbartl. Es sei Aufgabe des Gerichts, sein Leid ins Verhältnis zu anderen Geschädigten zu setzen. Aber:
Andere Betroffene, die ebenfalls von Pfarrern der katholischen Kirche missbraucht worden sind, sind davon überzeugt, dass das Urteil Signalwirkung auch auf andere Verfahren hat. Denn im Fall Menne hat ein Gericht erstmals einem ehemaligen Messdiener ein Schmerzensgeld im sechsstelligen Bereich zugesprochen und die Kirche für die Täten ihres Priesters verantwortlich gemacht.
Georg Menne als Messdiener, hinter der Flagge (Archivbild 1970er Jahre)
Quelle: ZDF
Im Kampf David gegen Goliath hat Georg Menne vor dem Landgericht Köln einen Sieg davon getragen. Was ihm wichtig ist: Er hat das nicht nur für sich getan, sondern auch für die vielen anderen Betroffenen.