Geheimnisvolle Frauen:"Martha"-Star Margit Carstensen ist tot
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Die Schauspielerin Margit Carstensen ist tot. Sie starb am Donnerstag im Alter von 83 Jahren in einem Krankenhaus in Heide (Schleswig-Holstein).
Margit Carstensen hatte zuletzt 2016 in einem Tatort vor der Kamera gestanden.
Quelle: Imago
Sie gehörte zu den Musen des Regisseurs Rainer Werner Fassbinder. Im "Tatort - Wofür es sich zu leben lohnt" (2016) stand Margit Carstensen ein letztes Mal mit ihren Kolleginnen vor der Kamera. Zum Abschied von Eva Mattes als Kommissarin Klara Blum mit Irm Hermann und Hanna Schygulla, die ein kurioses Trio alter Damen spielten, die aus moralisch-ethischen Gründen zu Mörderinnen werden.
Am Donnerstag ist Margit Carstensen im Alter von 83 Jahren in einem Krankenhaus in Heide in Schleswig-Holstein gestorben, wie ihre Agentin unter Berufung auf die Familie am Freitag mitteilte.
"Ausnahmeerscheinung in der deutschen Filmwelt"
Seit vielen Jahren lebte Carstensen zurückgezogen in einem kleinen Dorf in der Nähe von Heide. Dorthin hatte sich die Schauspielerin zurückgezogen, nachdem sie zuvor einige Jahre auf Mallorca gelebt hatte. Nachdem ihr Ehemann gestorben war, lebte sie hier allein mit ihren Hunden. Schon seit längerer Zeit konnte sie keine Rollen mehr übernehmen, seit Jahren litt die starke Raucherin an einem Lungenemphysem, das ihr das Atmen schwer machte.
2019 wurde Margit Carstensen in Berlin mit dem Götz-George-Preis für ihr Lebenswerk geehrt. Damals würdigte die Jury sie als "Ausnahmeerscheinung in der deutschen Theater- und Filmlandschaft, einzigartig in ihrem intensiven, bedingungslosen Spiel, ihrer grenzüberschreitenden Darstellung und in ihrer Konzentration, die das Publikum zum Zuhören zwingt und ausnahmslos in ihren Bann zieht".
Margit Carstensen wurde am 29. Februar 1940 in Kiel geboren und wuchs dort auch auf. Schon als Kind habe sie Musik und Gedichte geliebt, sei jedoch sehr introvertiert gewesen, erzählte sie in einem früheren Interview.
Eine der Musen Fassbinders
An der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg habe sich ihr dann "eine Welt erschlossen und ich musste mich selber aufschließen". Nach Stationen an verschiedenen Theatern gehörte Carstensen von 1965 bis 1969 zum Ensemble des Hamburger Schauspielhauses, 1969 wechselte sie nach Bremen, wo sie den charismatischen Theaterautoren und Filmemacher Rainer Werner Fassbinder (1945-1982) kennenlernte.
"Fassbinder war ein großer Poet, Dichter und Visionär - mit einer unglaublichen Ausstrahlung und wahnsinniger Kraft", sagte sie Anfang 2020 in einem Interview. Zu ihr sei Fassbinder immer "ein weicher, liebenswerter Mensch" gewesen. "Ich hatte großes Glück, dass er Lust hatte, das mit mir umzusetzen."
Bekannt wurde Carstensen durch ihre Hauptrolle in dem Fassbinder-Film "Die bitteren Tränen der Petra von Kant" (1972), für die sie das Filmband in Gold erhielt. Eindrucksvoll war auch ihre Verkörperung der gedemütigten Ehefrau in "Martha" (1974) an der Seite von Karlheinz Böhm als krankhaft herrschsüchtigem Mann.
Viel mit Schlingensief zusammengearbeitet
Auch in anderen Filmen spielte Carstensen oft masochistische Frauen, die in Machtspiele und Hysterie gefangen waren.
Eine jahrelange künstlerische Zusammenarbeit verband sie auch mit Christoph Schlingensief (1960-2010), in dessen Film "100 Jahre Adolf Hitler - Die letzte Stunde im Führerbunker" (1989) sie Magda Goebbels verkörperte und in dessen Medien-Persiflage "Terror 2000" (1992) sie eine Detektivin spielte. In "Die 120 Tage von Bottrop" (1997) mimte sie dann mehr oder weniger sich selbst auf einer Meta-Ebene - in dem Schlingensief-Film ging es um die einstige Fassbinder-Entourage.
Unter der Regie von Leander Haußmann konnte Carstensen auch ihre komische Seite zeigen, etwa in seiner Verfilmung der Ex-DDR-Komödie "Sonnenallee" (1999) als verkniffene Schuldirektorin.
Für ihre Rolle einer alkoholkranken und verwahrlosten Mutter in Chris Kraus' Filmdrama "Scherbentanz" (2002) hatte sie 2003 den Bayerischen Filmpreis erhalten.
In "Finsterworld" (2013) von Frauke Finsterwalder spielte sie eine alte Dame in einem Altenheim.
Quelle: dpa