"Trooping the Colour":Wie beliebt ist Charles III.?
von Hilke Petersen, London
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Es ist die erste Geburtstagsparade für König Charles. Doch der Aufmarsch ist weit mehr als nur ein Fototermin: Er dürfte ein Gradmesser für die Beliebtheit des neuen Königs sein.
Die dunkle Vergangenheit der Sklaverei überschattet auch das britische Königshaus. Noch ist Charles III. Staatsoberhaupt von 15 Ländern. Aber der Mythos der Monarchie bröckelt. 15.06.2023 | 29:41 min
Unter tiefsitzenden Bärenfellmützen ist eigentlich kaum jemand zu erkennen. Einer aber dürfte der uniformierte König Charles sein, wenn am Samstag seine Regimenter zu Ehren seines Geburtstags aufmarschieren.
Geburtstagsparade für Charles - im Juni statt im November
An der traditionellen Geburtstagsparade "Trooping the Colour" nehmen die Regimenter teil, die dem Monarchen persönlich zugeordnet sind: 1.400 Soldaten, 200 Pferde, 400 Musiker auf dem Horse-Guards-Paradeplatz Whitehall. Mitten in London.
Trooping the Colour - Parade zu Ehren König Charles III. - zu sehen am Samstag ab 11 Uhr im ZDF und in der Mediathek.
So ganz genau weiß keiner, seit wann das Ritual zur Geburtstagsfeier für Könige und Königinnen wurde. Man glaubt, dass es etwa 1748 gewesen sein könnte. Die Parade findet im Juni statt, um königliche Geburtstagsmonate zu umgehen, die für schlechtes Wetter bekannt sind: Den Geburtstag der Queen im April, Charles‘ Geburtstag Mitte November. Tausende werden sich auch diesmal an der Paradestrecke versammeln. Oder Tickets kaufen für die Zuschauer-Ränge - für etwa 35 Euro. Eine Kleiderordnung gilt nicht nur für teilnehmende Soldaten, sondern auch für Besucher: Keine Jeans, keine Sandalen bitte!
Nicht immer läuft es nach Protokoll: Wegen der Hitze in London sind Musiker der königlichen Garde kollabiert:
Eher royales Familien-Album als Militärparade
"Trooping the Colour", das zählt zu den Standards im royalen Jahr - seit 1938 von der BBC übertragen. Von der Mehrheit im Vereinigten Königreich, die die Monarchie noch immer unterstützt, wird Trooping weniger als Militärparade wahrgenommen, denn als gute Gelegenheit, die Royals zu Gesicht zu bekommen. Sei es am Straßenrand in London oder auf dem Fernsehschirm.
Durch die Jahre hindurch erzählen die abschließenden Auftritte der Familie auf dem berühmten Balkon des Buckingham-Palasts von den Geschicken der Windsors - wie ein Familien-Album: 1981 erscheint zum ersten Mal Lady Diana, die dann irgendwann wieder aus dem Bild verschwindet.
Kinder, neue Frauen, sogar eine für Charles. Skandal-Prinz Andrew muss inzwischen draußen bleiben. Harry und Meghan sind auch raus, weil sie sich selbst aus dem Spiel nahmen. Und in diesem Jahr gibt es seit Jahrzehnten ein Balkon-Bild ohne Queen Elisabeth II., die zum ersten Mal 1927 als Baby dabei war.
Aus dem ewigen Thronfolger ist im September 2022 König Charles III. geworden. Mit seiner Krönung beginnt eine neue Ära im Hause Windsor. Wie wird sich die Monarchie verändern?09.05.2023 | 43:34 min
Endlich König? Charles und der Kampf um die Monarchie:
Mehr Fans oder Kritiker des Königs am Straßenrand?
Seit neun Monaten ist Charles jetzt König: Deshalb dürfte besonders interessant werden, wie viele sich zum ersten Mal für Charles an den Straßenrand stellen. Oder den Fernseher einschalten. Seine Beliebtheitswerte sind nicht schlecht, aber geringer als die der Queen. Die war scheinbar zu erhaben, als dass die Monarchie-Gegner zu laut wurden.
"Not my King", nicht mein König, ist jetzt ihr Schlachtruf, wo immer öffentliche Zeremonien für Charles abgehalten werden. "Down with the crown", nieder mit der Krone.
Charles' Bürde: Verantwortung der Krone für Sklaverei
Charles ist viel mehr im Visier der Kritiker. Auch derer, die seit den Black-Lives-Matter-Demonstrationen die koloniale Vergangenheit und die weiße Übermacht in Ländern anprangern, deren Bevölkerung von den Briten versklavt wurde, als das British Empire vor vier Jahrhunderten begann, zur Weltmacht aufzusteigen:
3,5 Millionen Menschen - vor allem aus Afrika - hatten britische Sklavenhändler quer über die Ozeane verkauft. Um sie auf karibischen Zuckerrohrplantagen für sich arbeiten zu lassen, in Jamaica, Barbados, Grenada. Das englische Königshaus mischte mit und profitierte - über die Royal African Company. Einige Commonwealth-Staaten im weltweiten Bund, der vom British Empire übrigblieb, in denen Charles noch immer Staatsoberhaupt ist, wollen sich trennen vom König. Und Republik werden. Überall gibt es Bewegungen, die von ihm Entschuldigung und Reparationen fordern.
Ehemalige Kolonien fordern Wiedergutmachung von der Krone:
Die britische Monarchie steht für Glanz und Glamour. Doch es gibt zunehmend Kritik an der Krone: Die Monarchie tue zu wenig, um die britische Kolonialgeschichte aufzuarbeiten.14.06.2023 | 6:25 min
Kolonialzeit: Buckingham-Palast bemüht sich um Aufklärung
Die Palast-Verwaltung co-finanziert jetzt eine Studie, geleitet von der Universität Manchester, die die Kolonialzeit und die Rolle der Krone besser erforschen soll. Nicht eher als 2026 sei mit Ergebnissen zu rechnen. Unzumutbar, finden Charles' Kritiker.
Andere Erben der kolonialen Vergangenheit des Vereinigten Königreichs sind längst weiter und werden konkret: Im Netzwerk "Heirs of Slavery" (Erben der Sklaverei) haben sich Mitglieder britischer Familien zusammengefunden, deren Vorfahren vor etwa sieben Generationen am Sklavenhandel beteiligt waren. Sie bekennen sich, wollen auch ein Vorbild sein für die royale Familie. Und sich einsetzen für späte Gerechtigkeit.
Die Stimmung bei "Trooping the colour" wird dennoch kaum getrübt sein. Queen Camilla und Prinzessin Catherine und ihre fototauglichen Sprösslinge werden aus einer Kutsche lächeln und winken. Und die Monarchie-Freunde sich freuen, dass es eben doch ein paar Konstanten gibt in einer unruhigen Welt - wie "Trooping the Colour".
Hilke Petersen leitet das ZDF-Studio in London.
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