Im Schatten der Proteste:Irans Tourismusindustrie in der Krise
von Jörg Brase
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Kaum hatten sich die Besucherzahlen wieder erholt, brachen die Proteste los. Sie wurden brutal niedergeschlagen. Aus Angst meiden seitdem Touristen aus Europa und den USA Iran.
Iran hat viele Natur- und Kulturschätze zu bieten. Nur sieht sie aktuell kaum jemand. Durch die Protestwelle und internationale Isolation steckt Irans Tourismus in der Krise.21.06.2023 | 6:10 min
"Ich dachte, die nehmen dich gleich bei der Ankunft fest," sagt Franklin Von Moon, Rucksacktourist aus Australien. "Aber dann bin ich gelandet, und es war die leichteste Einreise, die ich jemals hatte."
Faszination Kulturstätten
Auch der Amerikaner Jeff Barnes aus Ohio berichtet von Ängsten besonders bei seiner Familie:
Er selbst aber habe unbedingt kommen wollen, um sich die Kulturstätten des Landes anzusehen, meint Barnes. "Ich bin Historiker, Schwerpunkt Mittlerer Osten. Ich war schon überall in der Region, habe mit Muslimen gelebt."
Zahlreiche Reisewarnungen für Iran
Barnes, der Geschichtsprofessor aus Ohio, kam trotz zahlreicher Reisewarnungen. Immer wieder komme es zu willkürlichen Verhaftungen, warnt zum Beispiel das deutsche Auswärtige Amt.
Für den Iran hat das Auswärtige Amt eine Reisewarnung veröffentlicht, in der deutsche Staatsangehörige aufgefordert werden, das Land zu verlassen. Für sie bestünde die Gefahr, willkürlich festgenommen, verhört und zu langen Haftstrafen verurteilt zu werden.
Die komplette Reisewarnung können Sie hier nachlesen.
Die komplette Reisewarnung können Sie hier nachlesen.
Um eigene Staatsbürger, die im Ausland in Haft sitzen, freizupressen, praktiziert Irans Regime eine Geiseldiplomatie. Gerade erst fand ein Gefangenenaustausch mit Belgien statt.
So waren auch viele Einheimische überrascht, dass sich der US-Amerikaner Barnes in den Iran traut. Der fühlt sich hier durchaus willkommen und rechnet nicht damit, Opfer iranischer Geisel-Politik zu werden. Viele andere aber sind da weitaus vorsichtiger.
Falsche Zahlen der Regierung
Nach den jüngsten regierungskritischen Protesten meiden Touristen den Iran und buchen lieber andere Reiseziele. So brachen die Besucherzahlen aus Europa und den USA nach Atomstreit und Corona-Krise nun erneut ein.
Irans Führung vermeldet dagegen Rekordbesucherzahlen. Amirhossein Jafari vom Reiseveranstalter "Alaedin" kritisiert, die Behörden arbeiteten mit falschen Daten. Ein Großteil der Besucher kämen aus Afghanistan, Pakistan und Irak.
Nach umstrittenen und international kritisierten Prozessen hat Iran weitere Demonstranten hingerichtet.20.05.2023 | 2:12 min
Westliche Touristen bleiben fern
Auch Fremdenführerin Maryam Roosta spürt, dass sich ihr Kundenstamm verändert hat. Statt Europäern kommen nun immer mehr Reisegruppen aus Russland oder China nach Isfahan. Länder, zu denen Irans Regierung bessere Kontakte pflegt als zum Westen.
Die westliche Sicht auf Iran sei geprägt durch die Berichterstattung über die jüngsten Proteste gegen die Regierung, sagt Roosta. "Das hat die Situation für uns komplett geändert. Wir mussten den Leuten klar machen, dass Iran ein sicheres Reiseland ist."
Kopftuchzwang: Weiter Bußgelder bei Verstößen
Was viele Touristen neben den politischen Unruhen ebenfalls abschreckt, sind Einschränkungen wie Internetsperren und der Kopftuchzwang.
Als Folge der Proteste in Iran trägt nicht mehr jede Frau den Hijab, obwohl noch immer harte Strafen drohen. 21.06.2023 | 1:21 min
Trotz drohender Strafen zeigen sich seit Monaten viele iranische Frauen auf den Straßen ohne den Hijab. Bislang verzichten die Behörden darauf, einzelne Frauen mit Bußgeldern zu belegen, sondern sanktionieren stattdessen jene, die es zulassen, dass auf ihrem Gelände gegen die Hijab-Pflicht verstoßen wird.
So wurden Restaurants, Geschäfte, Einkaufszentren aber auch Parks und Kulturstätten zeitweise geschlossen. "Anfangs haben wir darüber gelacht," meint Reiseanbieter Rasool Zabihi in Isfahan, "aber eigentlich ist es traurig."
Abschreckende Wirkung von Sozial-Media-Sperren
Zabihi leitet ein Tourismus-Startup, das vor allem auf sozialen Plattformen aktiv ist. Hijab-Strafen seien schädlich für sein Geschäft, genauso wie die Blockade von Instagram und Whatsapp.
Zabihi spricht offen, kritisiert die Politik der Regierung, ohne das System grundsätzlich in Frage zu stellen. Vielmehr versucht er, sich und seine Kunden um politische Gefahrenzonen zu manövrieren.
"Während der Proteste musste ich den Reisenden sagen, wo sie sich aufhalten dürfen, und wo nicht." Tourismus sei ein sensibles Geschäft, sagt Zabihi, das sofort auf politische Entwicklungen reagiere. In Iran noch viel mehr als anderswo.
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