Wie wenig echter Napoleon im neuen Ridley-Scott-Film steckt

    Historienepos von Ridley Scott:So wenig echter Napoleon steckt im neuen Film

    von Nadia Nasser
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    Mit 85 Jahren wagt sich Altmeister Ridley Scott an den Mythos Napoleon. Mit epischen Schlachten, schlechtem Sex und vielen historischen Ungenauigkeiten.

    Paris, 1793: Die zum Tod verurteilte frühere Königin Frankreichs, Marie-Antoinette, wird zum Schafott gefahren. Kurz darauf liegt ihr Kopf mit langen weißen Haaren unter der Guillotine, das Beil fällt, das Volk johlt. In der aufgepeitschten Menschenmasse steht ein Mann mit eiserner Miene: Napoleon Bonaparte.
    Das Problem ist nur: Der echte Napoleon befand sich zu diesem Zeitpunkt in Südfrankreich, nicht in Paris, und Marie-Antoinettes lange Haare waren im Gefängnis längst abrasiert worden.

    Rein historisch ist der Film eine absolute Katastrophe. Es ist ein Hollywood-Fantasy-Märchen von reinstem Wasser und da sind so viele Fehler drin.

    Thomas Schuler, Historiker

    Im Geschichts-Check würde der Film durchfallen

    Das sagt Historiker und Napoleon-Experte Thomas Schuler, der mehrere Bücher über den Kaiser der Franzosen verfasst hat - unter anderem "Auf Napoleons Spuren. Eine Reise durch Europa". Er wirkte auch in der Terra-X-History-Dokumentation "Napoleon Bonaparte - Der Mensch hinter dem Mythos" mit.

    Das zieht sich stringent durch den ganzen Film.

    Thomas Schuler, Historiker

    "Napoleon", das Monumentalwerk von Regisseur Ridley Scott würde tatsächlich keinen genauen Geschichts-Check bestehen.

    Waffengewalt nicht zeitgemäß

    "Bei der Schlacht vor den Pyramiden, da schlagen die Granaten mit der Wucht von modernen Artillerie-Granaten in die Spitzen der Pyramiden ein, aber sowas macht einfach eine Kanonenkugel aus dem Jahr 1798 nicht", kritisiert der Historiker.
    World Premiere of the film "Napoleon" in Paris
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    Weiter stößt dem Napoleon-Experten Schuler auf:

    Die sogenannte Schlacht bei den Pyramiden, die hat in der Nähe von den Pyramiden stattgefunden, also man konnte sie sehen, aber sie waren weit weg. So weit, dass sie nicht von Artillerie beschossen wurden.

    Thomas Schuler, Historiker

    Napoleons Geburtsdatum im Film falsch

    Auch sei im Film bei der Hochzeit von Napoleon und seiner Joséphine sein Geburtsdatum als Februar 1768 vorgetragen worden. Schuler: "Er wurde aber erst am 15. August 1769 geboren. Das sind so Sachen, bei aller Inszenierung, die muss man nicht falsch machen. Davon wäre Scotts Vision völlig unbeeinflusst und unbeeinträchtigt gewesen."
    Schuler kritisiert:

    Bei den 200 Millionen Dollar, die das Ding gekostet hat, hat man an historischen Beratern völlig gespart.

    Thomas Schuler, Historiker

    Die Deutschen I, Staffel 1, Folge 7- Napoleon und die Deutschen, Portrait Napoleon
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    Experten: Film wird dem historischen Napoleon nicht gerecht

    Noch schlimmer als die vielen historischen Ungenauigkeiten sei aber die Darstellung des Mannes selbst. "Der echte Napoleon war geistreich, er hat in seiner Konversation Witz gehabt, er war einer der belesensten Menschen, die es je gab, und er hatte auch wahnsinnigen Humor, er konnte sehr gut mit einfachen Soldaten."

    Im Film ist er recht eindimensional angelegt und hat mit dem echten Napoleon herzlich wenig zu tun.

    Thomas Schuler, Historiker

    Tatsächlich zeigt Scott in "Napoleon" nur ganz bestimmte Seiten des Herrschers, vor allem, wie er seine Schlachten führte. Dass er aber auch die Gesellschaft modernisierte und sein Gesetzeswerk von 1804, der "Code Civil", bis heute nachwirkt, in dem die Gleichheit aller Bürger und die Freiheit für alle zivilrechtlich bindend festgeschrieben wurden, spielt im Film kaum eine Rolle.
    Statue Napoleon Bonapartes
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    Auf Leinwand schlechter Liebhaber ohne Charisma

    Dafür zeigt Scott Napoleon - bei aller Verliebtheit in seine Joséphine - als peinlich schlechten, ruppigen Liebhaber. Überliefert sei das so nicht, sagt Schuler. Von dem Charisma, das er als Aufsteiger aus verarmter Familie bis auf den Kaiserthron gehabt haben muss, ist wenig spürbar. Trotz des großen Schauspielers Joaquin Phoenix, der schon einmal vor mehr als 20 Jahren für Ridley Scott in "Gladiator" einen Kaiser spielte.
    "Als Historiker ist man extrem enttäuscht", sagt auch Thierry Lentz, Direktor der Fondation Napoléon in Paris.

    Dieser Film hat weder Hand noch Fuß, keine Ähnlichkeit mit der Geschichte. Der Film ist grobschlächtig und vulgär. Das Gegenteil von dem, was man über Napoleon weiß.

    Thierry Lentz, Direktor der Fondation Napoléon

    Der britische Regisseur Ridley Scott antwortete im Interview mit ZDF in Paris auf die kritischen Anmerkungen der Historiker mit: "Get a life!", was so viel bedeutet wie: "Kümmere dich um dein eigenes Leben". Sein Film solle keine "Geschichtsstunde" sein, das wäre ja langweilig.

    Typisch für Ridley Scott: Monumentale Szenen

    Was Scott allerdings wieder einmal beweist, ist, dass er monumentale Szenen eindrucksvoll auf die Leinwand bringen kann. Die Schlachtengetümmel etwa von Toulon und Austerlitz bis hin zur vernichtenden Niederlage in Waterloo inszeniert er beeindruckend und brutal, wenn auch nicht immer historisch korrekt.

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    Die romantische Liebesgeschichte von Napoleon zu Joséphine de Beauharnais allerdings - seiner späteren Kaiserin - der Scott im Film viel Bedeutung und Raum lässt, entwickelt erstaunlich wenig emotionale Wucht.
    Rund zwei Stunden und 40 Minuten dauert das Werk im Kino - später soll im Streaming eine längere Version erscheinen.

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