Konflikte an Weihnachten:Verschwörungsmythen: Wenn Opa schwurbelt
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Selten geht es an Weihnachten nur harmonisch zu. Aber was tun, wenn Opa oder Tante von der "Plandemie" schwurbeln? Experte Meilicke über den Umgang mit Verschwörungsgläubigen.
Quelle: dpa
ZDFheute: Haben sich bei Ihnen in der Beratungsstelle in der Vorweihnachtszeit mehr Menschen gemeldet, die Angst vor Streit mit Angehörigen unterm Christbaum haben?
Tobias Meilicke: Wir sind jetzt seit drei Jahren am Start mit unserem Beratungsangebot für Betroffene von Verschwörungserzählungen. Weihnachten bringt immer einen leichten Anstieg, weil die Menschen fürchten, auf Angehörige zu treffen, denen sie das Jahr über eher aus dem Weg gehen.
Quelle: privat
... hat Soziologie, Politik- und Islamwissenschaft studiert und leitet die Beratungsstelle "Veritas" in Berlin. Er und sein Team beraten Angehörige von Verschwörungsgläubigen. Die Beratungsstelle besteht seit 2021.
ZDFheute: Mit welchen Erzählungen und Sorgen sind Sie und Ihr Team am häufigsten konfrontiert?
Meilicke: In der Pandemie-Zeit hatten wir sehr viel mit praktischen Fragen rund um Corona zu tun - also Fragen zu Maskenpflicht, Impfungen, Schulbesuch von Kindern, die große Streitthemen am Weihnachtstisch wurden.
Dieses Jahr geht es mehr um das aktuelle politische Geschehen - es gibt zunehmend Konflikte und Streitigkeiten um den Ukraine-Krieg und Verschwörungstheorien rund um die Situation in Israel und Gaza. Auf letzteres bezogen sind darunter auch antisemitische Äußerungen, mit denen Verwandte und Freunde konfrontiert werden.
Was wir seit Corona auch bemerken und was stärker wird, sind Positionen der Staatsfeindlichkeit oder Staatsleugnung. Vor allem das Reichsbürger-Narrativ hören wir häufiger - die Erzählung davon, dass wir eigentlich immer noch von den Siegermächten regiert werden und Deutschland lediglich eine GmbH ist. Sogenannte Reichsbürger lehnen es ab, sich an diesem Staat zu beteiligen und weigern sich etwa, Steuern zu zahlen. Das führt zu Konflikten mit den Behörden - und das löst natürlich auch bei Angehörigen Sorgen und Ängste aus.
ZDFheute: Wann suchen die Menschen in Ihrer Beratungsstelle Hilfe?
Meilicke: Die Leute melden sich meistens dann, wenn der Leidensdruck sehr hoch ist. Das heißt, wenn Konflikte in den Familien bereits eskaliert sind und die Angst groß ist, dass man sich komplett zerstreitet und Beziehungsabbrüche drohen. Wir haben es zum Teil auch mit bestehenden Konflikten zu tun, die wegen Verschwörungstheorien eskalieren.
ZDFheute: Wie kann ich am besten damit umgehen, wenn jemand am Weihnachtstisch beispielsweise behauptet, es gebe eine Weltverschwörung und die Eliten würde sich zusammenschließen?
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Meilicke: Wenn man schon vorher weiß, dass solche Situationen auftreten könnten, empfehle ich, im Vorfeld das Gespräch zu suchen und klare Grenzen zu setzen: 'Bei dem Thema kommen wir nicht zusammen und ich bitte dich, das an Weihnachten auszuklammern.'
Sollte die betreffende Person sich nicht daran halten, gibt es zwei mögliche Szenarien: Habe ich das Gefühl, die anderen im Raum lehnen so eine extreme Position und Verschwörungstheorien eher ab, dann ist es nicht ratsam, sich öffentlich klar zu positionieren und möglicherweise die Person zu beschämen. Denn das würde wahrscheinlich zu einer Abwehrreaktion und Eskalation der Lage führen. Besser wäre es in dem Fall, das persönliche Gespräch zu suchen und klarzumachen: 'Was du vorhin gesagt hast, damit kann ich nichts anfangen. Kannst du mir mal erklären, wo deine Ängste konkret sind?'
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Stelle ich aber fest, die anderen im Raum sind unsicher oder einige glauben möglicherweise auch an solche Verschwörungserzählungen, dann ist es wichtig, eine Grenze zu setzen und sich öffentlich zu positionieren. Man kann etwa sagen: 'Deine Aussagen kann ich nicht nachvollziehen. Ich sehe das anders, aber lass' uns jetzt an der Stelle einen Punkt machen.' Das Gespräch sollte kurz bleiben, damit es erst gar nicht zu einer Eskalation kommt. Eine Grenze zu setzen, ist auch bei Positionen wichtig, die Gewalt verharmlosen oder in Richtung Rassismus oder Antisemitismus gehen.
ZDFheute: Kann man gegen Verschwörungstheorien überhaupt sachlich argumentieren?
Meilicke: Ja und Nein. Es kommt darauf an, wie tief eine Person darin verwickelt ist. Jeder kennt Menschen, die aktuell eine große Verunsicherung erleben. Die Zeiten sind schnelllebig, es gibt sehr viele Konflikte auf der Welt. Zudem begünstigt der technische Fortschritt in Richtung KI, Fake News und Desinformation, dass Menschen, die verunsichert sind, in Verschwörungstheorien hineingeraten. An so einem Punkt kann ich auf der inhaltlichen Ebene aber noch viel machen, etwa gemeinsam Quellen hinterfragen und bewerten.
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Wenn allerdings Menschen Verschwörungstheorien schon stark verinnerlicht haben, dann bringt es wenig, mit Inhalten zu argumentieren. Denn der Grund, warum sie solche Verschwörungserzählungen angenommen haben, sind soziale und psychologische Bedürfnisse. Dazu gehört, Selbstwirksamkeit zu empfinden oder die Welt wieder zu verstehen, also ein Ohnmachtsgefühl zu kompensieren. Ganz oft steckt auch mangelnder Selbstwert dahinter. Wenn ich mich Verschwörungsmythen zuwende, zähle ich mich zu einer Elite, die die Welt durchschaut - das ermöglicht eine persönliche Aufwertung.
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von Sabine Winkler
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Bei solchen Menschen ist es wichtig, die Gefühle anzusprechen - geht es um Angst, Ohnmacht, vielleicht auch Wut? Wenn mir eine Person Verschwörungsmythen erzählt, kann das auch Ausdruck von Zuneigung sein. Sie will mich vor etwas warnen - und genau das spreche ich dann an.
ZDFheute: Wie groß ist das Thema Impfen noch bei den Verschwörungserzählern?
Meilicke: Das ist immer noch ein großes Thema, weil Impfen und Corona jetzt immer als Ausgangspunkt der großen Verschwörung herangezogen werden. Egal, ob es um den Ukraine-Krieg oder Israel geht - Corona wird eingeordnet in die Verschwörung des 'Great Reset', also der Umstrukturierung der Welt.
Diesen Erzählungen zufolge war Corona der Anfang. Die Pandemie, von Verschwörungsgläubigen auch 'Plandemie' genannt, wird als Ausgangspunkt genommen für Erzählungen rund um den Klimawandel. Da habe der Staat schon mal ausprobiert, wie er uns drangsalieren kann. Und jetzt wird er diese Mechanismen auch beim Thema Klima umsetzen.