Energie aus Biomasse: Wie Bioenergiedörfer der Krise trotzen

    Eigene Energie aus Biomasse:Wie Bioenergiedörfer der Energiekrise trotzen

    von Hartmut Idzko
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    Erneuerbare Energien - selbst erzeugt und verbraucht. Nach diesem Motto nutzen immer mehr Gemeinden in Deutschland Strom und Wärme. Mit Hilfe von Biogas, Windkraft und Sonnenlicht.

    Biogasanlage im dänischen Korskro
    Eine fieberhafte Suche nach neuen Energiequellen ist entbrannt. Dabei reicht vielleicht schon ein Gang in den nächsten Kuhstall. Könnte heimisches Biogas russisches Erdgas ersetzen?19.11.2023 | 28:34 min
    Milchbauer Henk van der Ham gehört zu den Pionieren der ökologischen Landwirtschaft. Seine 300 Kühe grasen im Sommer auf der Weide und werden im Winter in geräumigen Ställen gehalten. Ihr Futter baut er selbst an. Sein Hof liegt in Bollewick in Mecklenburg-Vorpommern.
    Eines von 180 sogenannten Bioenergiedörfern in Deutschland. Bollewick ist mit seinen 600 Einwohnern klein, aber energiereich. Denn Energie, Strom und Wärme für die Dorfbewohner liefert die Biogasanlage von Bauer Henk van der Ham. Betrieben mit Gülle aus eigenem Stall und Mais von den eigenen Feldern.

    Bioenergiedörfer als Vorreiter der Energiewende

    Die Gemeinde darf sich Bioenergiedorf nennen, weil sie ihre Energieversorgung überwiegend durch Biomasse deckt. Der Ex-Bürgermeister der Gemeinde, Bertold Meyer, der das Projekt vor vielen Jahren angestoßen hatte, erklärt:

    Wir haben keine Energiekrise.

    Ex-Bürgermeister von Bollewick, Bertold Meyer

    Die Bundesregierung hatte die Umsetzung gefördert und betrachtet Bioenergiedörfer als Vorreiter der Energiewende.
    Dank ihrer weitgehenden energetischen Unabhängigkeit kann sich die Gemeinde Dinge leisten, die sonst kaum möglich wären. Etwa eine riesige "Kulturscheune". Ein ehemaliger Kuhstall von 1881 wurde liebevoll restauriert und in einen Ort für Kunst, Musik und Theater verwandelt. Denn die Bollewicker brauchen zum Heizen kein Öl oder importiertes Gas. Ihre Wärme kommt preiswert vom Bauern, verteilt über ein umweltschonendes Netz.

    Vorteil: Reduzierung des CO2-Ausstoßes

    Bioenergiedörfer haben viele Vorteile. Sie tragen zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes in erheblichen Umfang bei - denn Biomasse ist eine CO2-neutrale Energiequelle. Sie schaffen Arbeitsplätze in der Energiewirtschaft, der Landwirtschaft und in der Holzverarbeitung. Damit stärken sie die regionale Wirtschaft. Bertold Meyer aus Bollewick meint:

    Die Energiewende muss von unten kommen. Wir müssen die Menschen mitnehmen, überzeugen.

    Bertold Meyer aus Bollewick

    In seinem Dorf wird bewiesen, dass regionale Energieversorgung möglich ist. Gemeinsam ist allen ein großes Engagement für die Energiewende. Schließlich sparen die Nutzer im Durchschnitt gut 750 Euro pro Haushalt.

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    Sehen Sie die Doku "Energiesicherheit mit Biogas? - Wenn aus Abfall Energie wird" am Sonntag, den 19.11.2023 um 15:45 im ZDF oder hier in der Mediathek

    Kritik von Umweltverbänden

    Doch es gibt auch Kritik - ausgerechnet von Umweltschützern: Sie bemängeln, dass zur Energiegewinnung auch Pflanzen wie Mais eingesetzt werden und dadurch wertvolle Ackerflächen für die Lebensmittelproduktion verloren gehen. Und sie fürchten den Ausbau von Monokulturen.
    Allerdings wurde der Maisanteil für Biogasanlagen inzwischen gedeckelt. Um Monokulturen zu vermeiden, werden blühende Pflanzenarten genutzt, die auch Insekten anziehen. Zudem gehören zur Biomasse nicht nur Erzeugnisse der Land- und Forstwirtschaft, sondern auch biologisch abbaubare Abfälle aus Industrie und Haushalten.

    Wichtig bei der Abkehr von Heizöl- und Erdgasimporten

    Jedoch bestehen für die Biomassenutzung keine unbegrenzten Erweiterungsmöglichkeiten. Zwar ist Biomasse ein nachwachsender Rohstoff. Doch die produzierbare Menge an Biomasse ist begrenzt durch Anzahl und Größe der Anbauflächen - sofern der Rohstoff im eigenen Land erzeugt werden soll.
    Bioenergiedörfer können eine wichtige Rolle spielen bei der Abkehr von Heizöl- und Erdgasimporten. Zumal die erzeugte Strommenge in unserem Beispieldorf weit über den Eigenverbrauch im Dorf hinaus geht. Und die Bauern ihre Nutzfahrzeuge mit eigenem Biomethangas betreiben können. Bauer Henk van der Ham aus Bollewick sagt dazu:

    Nachhaltiger und günstiger geht’s nicht.

    Bauer Henk van der Ham aus Bollewick

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