"Blue Punisher"-Pillen:Tote 13-Jährige: Nahm sie freiwillig Ecstasy?
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Nahm die 13-jährige Finja freiwillig Ecstasy? Die Eltern glauben nicht daran und appellieren an andere Jugendliche, vorsichtig zu sein. Die Polizei ermittelt in mehrere Richtungen.
Finjas Eltern sind erschüttert, können sich die Umstände des Todes ihrer Tochter nicht erklären. Mit ihren Zweifeln gehen sie an die Öffentlichkeit. (Archiv)
Quelle: dpa
Die Eltern des nach der Einnahme einer Ecstasy-Pille gestorbenen 13-jährigen Mädchens aus Altentreptow in Mecklenburg-Vorpommern glauben nicht, dass ihre Tochter die Droge freiwillig genommen hat. "Definitiv hat sie das nicht freiwillig gemacht", sagte die Mutter im Gespräch mit "stern TV".
13-Jährige hatte bereits Kollaps ihrer Freundin miterlebt
Denn erst Tage zuvor habe ihre Tochter Finja den Kollaps einer Freundin nach Drogenkonsum selbst miterlebt. Finja berichtete demnach ihren Eltern in Panik von dem Vorfall, weil sie dachte, ihre Freundin würde sterben. Sie habe deren Krampfanfälle und Luftnot und die Behandlung im Krankenhaus unmittelbar mitbekommen.
Mit dem Sammelbegriff Ecstasy sind synthetische Drogen in Tabletten-, Pulver- oder in Kristallform gemeint, die ohne natürliche Rohstoffe im Labor hergestellt werden. Dahinter steckt ein Amphetaminderivat, das auf dem Hauptwirkstoff MDMA basiert
Ecstasy führt zu Höhenflügen, Kontaktfreudigkeit und Verlust des Zeitgefühls. Das körpereigene Warnsystem wird ausgeschaltet. Beim Einsatz als Partydroge kann es bei langem Tanzen zu extremem Wasserverlust, Organschäden oder Kreislaufzusammenbruch kommen. Tödliches Nierenversagen wurde ebenso beobachtet wie tödliche Hirnblutungen. Die Droge kann zudem Psychosen und Wahnvorstellungen verursachen.
Eine besonders starke Variante von Ecstasy ist "Blue Punisher" (deutsch: "blauer Bestrafer"). Das Aussehen der Pille ähnelt einem Diamanten mit eingraviertem Totenkopf, der an das Logo des Marvel-Charakters "The Punisher" angelehnt ist. Die blaue Pille, die auch nur als "The Punisher" und in anderen Farben erhältlich ist, kann häufig über eine Bruchrille halbiert werden.
Ganze Pillen können nach Angaben des Drogeninformationszentrums (DIZ) in Zürich teilweise mehrere Hundert Milligramm des Wirkstoffs MDMA und weitere unbekannte Substanzen enthalten. In Großbritannien etwa wurde 2021 eine "Blue Punisher" entdeckt, die mit 477 Milligramm MDMA das Mehrfache der üblichen Dosis von Ecstasy-Pillen enthält.
Im Jahr 2021 lag der durchschnittliche Wirkstoffgehalt einer Ecstasy-Tablette zwischen 161 und 173 Milligramm. In Europa wurden insgesamt 10.000 sichergestellt. Für solch extrem hohe Dosierungen wie bei "The Punisher" warnt das Zürcher DIZ: Mehr als 1,5 Milligramm MDMA pro Kilogramm Körpergewicht bei Männern und 1,3 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht bei Frauen sei zu viel. Das heißt: Selbst die Einnahme der Hälfte einer solchen Pille kann zu einer Überdosis führen.
Im Jahr 2021 lag der durchschnittliche Wirkstoffgehalt einer Ecstasy-Tablette zwischen 161 und 173 Milligramm. In Europa wurden insgesamt 10.000 sichergestellt. Für solch extrem hohe Dosierungen wie bei "The Punisher" warnt das Zürcher DIZ: Mehr als 1,5 Milligramm MDMA pro Kilogramm Körpergewicht bei Männern und 1,3 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht bei Frauen sei zu viel. Das heißt: Selbst die Einnahme der Hälfte einer solchen Pille kann zu einer Überdosis führen.
Patentiert wurde Ecstasy 1912 von der Darmstädter Pharmafirma Merck. Zunächst setzte man es medizinisch als Appetitzügler sowie in der Psychotherapie zur Steigerung der Kontaktfreudigkeit ein. Seit den 1980er-Jahren wird der Substanzname MDMA synonym für Ecstasy verwendet. Die starke Verbreitung der Droge begann in den 1990er-Jahren mit der Techno-Bewegung.
Quelle: dpa
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Finja selbst bestätigte den Angaben zufolge, dass ihre Freundin nach dem Konsum von Drogen zusammengebrochen sei. Aufgrund der Angst, die Finja um das Leben ihrer Freundin gehabt habe, äußerten sich die Eltern überzeugt, dass ihre Tochter die Ecstasy-Pille der Variante "Blue Punisher" nicht freiwillig genommen habe. "Sie hat gesagt, sie macht sowas nicht", betonte die Mutter.
Eltern-Appell an Jugendliche
Die Eltern richteten einen Appell an alle Kinder und Jugendlichen:
Die Eltern wirkten bei dem Interview äußerlich gefasst, aber innerlich verzweifelt. "Man steht vor einem tiefen schwarzen Loch, funktioniert eigentlich bloß und denkt sich: Warum?", sagte die Mutter. "Zerstört ist unser Leben eigentlich", sagte der Vater. "Sie war ein fröhliches Mädchen."
Nach der Einlieferung ihrer Tochter waren die Eltern in die Klinik in Neubrandenburg gefahren. "Dann ging auch alles ganz, ganz schnell. Das war Wahnsinn", schilderte die Mutter.
Warum Ecstasy so gefährlich ist, erklären wir im Video:
Und was die Droge mit dem Körper macht.29.06.2023 | 1:07 min
Finja habe auf nichts mehr reagiert. Der Vater erzählte, den Ärzten habe die Zeit gefehlt. "Sie haben mit aller Macht alles getan für unsere Tochter. Man konnte ihr nicht mehr helfen. Die Zeit hat einfach gefehlt. Das ging so schnell."
Haftbefehl gegen 37-Jährigen erlassen
Nach dem Tod des Mädchens war Haftbefehl gegen einen 37-Jährigen erlassen worden, der laut Amtsgericht Neubrandenburg in zwei Fällen Betäubungsmittel an Minderjährige abgegeben haben soll. Gegen einen 17-Jährigen sei hingegen mangels Haftgrundes kein Haftbefehl erlassen worden. Die Polizei hatte zunächst vier Verdächtige festgenommen.
Die Ermittler prüfen auch, ob ihr die Ecstasy-Pille der Variante "Blue Punisher" eingeflößt worden sein könnte. Aktuell werde keine Möglichkeit ausgeschlossen, da über die Umstände, die zum Tod des Mädchens geführt haben, bisher wenig bekannt sei, teilte eine Sprecherin der Polizei in Neubrandenburg am Montag mit.
Droge "Blue Punisher" sorgt für Aufsehen
Vorfälle mit der chemischen Droge "Blue Punisher" sorgen derzeit in mehreren Bundesländern für Aufsehen. Dabei handelt es sich um eine besondere Erscheinungsform von Ecstasy-Tabletten. Herkunft und Wirkstoff können davon unabhängig variieren.
Zuletzt waren solche Pillen durch eine offenbar sehr hohe und gefährliche Konzentration aufgefallen. In Mecklenburg-Vorpommern warnte die Polizei kürzlich vor eigenständigen Ermittlungen etwa durch Eltern.
"Das kann einen im Zweifel selbst in Gefahr bringen, wenn zum Beispiel versucht wird, als Strohkäufer an weitere Informationen zu gelangen", so das Polizeipräsidium Neubrandenburg. "Ebenso warnen wir vor Selbstjustiz mit Blick auf mögliche Beteiligte oder mutmaßliche Dealer."
Quelle: dpa
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