Gefangenenvergütung:Kommt jetzt der Mindestlohn für Inhaftierte?
von Laura Kress
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In Deutschland gilt der Mindestlohn von zwölf Euro - außer für Gefangene. Sie erhalten maximal 2,30 Euro pro Stunde. Ob das rechtens ist, urteilt nun das Bundesverfassungsgericht.
Berlin-Tegel: Häftlinge in der Werkstatt
Quelle: Imago
Schon seit mehr als 20 Jahren liegt der Lohn von Gefangenen auf demselben Niveau. Genauer gesagt bei neun Prozent des Durchschnittsverdienstes eines normalen Beschäftigten. Und das, obwohl das Bundesverfassungsgericht schon 2002 klarstellte, dass damit die "äußerste Grenze" einer verfassungsrechtlich zulässigen Bezahlung erreicht sei.
Verstoß gegen das Grundgesetz?
Dass sich die Richter nun wieder mit dem Thema beschäftigen müssen, haben zwei Strafgefangene aus Bayern und Nordrhein-Westfalen mit ihrer Verfassungsbeschwerde bewirkt. Den Beschwerdeführern fehlt die Anerkennung für ihre Arbeit. Sie sehen in dem niedrigen Lohn einen Verstoß gegen das Grundgesetz.
Außerdem sind die Gefangenen auf das Geld angewiesen. Telefonate, Unterhalt der Familie, Schmerzensgeld und Rückzahlung von Schulden - für diese Zahlungsverpflichtungen reicht der momentane Lohn bei weitem nicht.
Haftentlassung mit Schulden
Einen Teil des Lohns behalten die meisten Justizvollzugsanstalten zudem ein, um "Überbrückungsgeld" anzusparen, das sie den Gefangenen dann bei ihrer Haftentlassung auszahlen. Viel kommt dabei aber nicht zusammen, sodass viele hochverschuldet das Gefängnis verlassen.
Der Anwalt und Strafvollzugsexperte Helmut Pollähne sieht darin ein Problem. Im Rechtsmagazin "Legal Tribune Online" sagte er im vergangenen Jahr:
Besonders im Alter wird die Armut zum Problem. Denn obwohl die Häftlinge arbeiten, zahlt niemand für sie in die Rentenversicherung ein.
Hohe Kosten für den Staat
Auf der anderen Seite entstehen dem Staat durch die Inhaftierten große Kosten. Verpflegung, Kleidung und Unterbringung eines Häftlings kosten das Land Nordrhein-Westfalen 191,21 Euro pro Tag. Im Jahr 2022 entstanden dem Land dadurch Kosten von mehr als einer Milliarde Euro. Die Einnahmen durch die Gefangenenarbeit liegen lediglich bei 34,4 Millionen Euro.
Marc Meyer vom Bayrischen Justizministerium sagte der "taz" deshalb anlässlich der mündlichen Verhandlung im vergangenen Jahr:
Das Bayerische Justizministerium weist darauf hin, dass die Produktivität der Gefangenen vergleichsweise niedrig ist. Eine Arbeitskraft in der freien Wirtschaft könnte fünf Gefangene ersetzen.
Hauptziel der Arbeit: Resozialisierung
Das Hauptziel der Arbeit soll nicht der Verdienst, sondern die Resozialisierung sein. Die Gefangenen sollen das Gefühl eines normalen Arbeitsalltags haben und auf die Zeit nach ihrer Haft vorbereitet werden. Genau das könnte aber auf dem Spiel stehen, wenn die Löhne angehoben werden. Dann besteht die Gefahr, dass Unternehmen in andere Länder abwandern, in denen sie günstiger produzieren können.
"Es geht nicht darum, dem Häftling möglichst viel zu zahlen, sondern Ziel ist, den Häftling dazu zu bringen, nachher ein soziales Leben zu führen", sagte so auch der damalige Justizminister von Nordrhein-Westfalen Peter Biesenbach in der ARD-Sendung Plusminus 2021.
Neben Geld und regulären Urlaubstagen bekommen Gefangene auch zusätzliche Freistellungstage. In Nordrhein-Westfalen sind das zum Beispiel zwei freie Tage für drei Monate Arbeit. Der Gefangene kann sich dann entweder während seiner Haft freinehmen oder seinen Entlassungszeitpunkt vorverlegen.
Österreichisches Modell: Mindestlohn nach Bruttoprinzip
Zur Debatte steht das österreichische Modell. Im Nachbarland erhalten Gefangene Mindestlohn nach dem Bruttoprinzip. Die Inhaftierten bekommen also höheres Gehalt, von dem dann Haftkosten, Schulden und Sozialversicherungen abgezogen werden. Finanziell würde sich dadurch für die Gefangenen nur wenig ändern, aber es gebe Transparenz. Die Gefangenen könnten besser nachvollziehen, wofür sie arbeiten.
Sollte das Bundesverfassungsgericht am Dienstag feststellen, dass der Lohn tatsächlich zu niedrig ist, wäre das nicht nur ein Gewinn für die Beschwerdeführer. Auch die anderen Bundesländer müssten nachziehen und die Löhne anheben.
Laura Kress ist Mitarbeiterin in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.