Prozess um Messerattacke:Angeklagter von Brokstedt: "Bin unschuldig"
|
Zwei junge Menschen sterben bei einer Messerattacke in einem Regionalzug bei Brokstedt. Der Angeklagte Ibrahim A. weist zu Prozessbeginn alle Vorwürfe zurück.
Am 25. Januar soll Ibrahim A. bei Brokstedt die Fahrgäste eines Regionalzugs mit einem Messer angegriffen haben. Eine 17-jährige und ein 19-jähriger sterben, vier weitere Personen werden schwer verletzt. In Itzehoe beginnt der Prozess.07.07.2023 | 1:53 min
Es sind entsetzlich brutale Szenen, die sich am 25. Januar im Regionalzug nach Hamburg abspielen: Staatsanwältin Janina Seyfert schildert zu Beginn des Mordprozesses in Itzehoe detailliert, wie Ibrahim A. bei der Messerattacke im schleswig-holsteinischen Brokstedt vorgegangen sein soll. Sie wirft dem angeklagten Palästinenser vor dem Landgericht Mord und versuchten Mord aus niederen Beweggründen und in Heimtücke vor.
Eine 17-Jährige und ihr 19 Jahre alter Freund starben bei dem Angriff, vier weitere Menschen erlitten schwere Verletzungen.
Ibrahim A. weist psychische Erkrankung von sich
Der 34 Jahre alte Angeklagte hörte aufmerksam zu und räumte dann ein, im Zug gewesen zu sein. Der schmale Mann mit akkuratem Kurzhaarschnitt und lichtem Bart wies jede psychische Erkrankung von sich und bestritt die Tat:
Nach Überzeugung von Staatsanwältin Seyfert beging Ibrahim A. die Tat aus Frustration darüber, dass er bei einem Termin in der Ausländerbehörde in Kiel erfolglos geblieben war. Er habe anschließend in einem Supermarkt in der Landeshauptstadt ein 20 Zentimeter langes Messer gestohlen - bereits in der Absicht, damit Menschen anzugreifen.
Tat ereignete sich im Regionalzug nach Hamburg
Im Regionalzug nach Hamburg habe er dann zunächst auf eine 17 Jahre alte Jugendliche eingestochen. Sie starb nach 26 Messerstichen, bei denen unter anderem die Oberschenkelarterie durchtrennt wurde. Anschließend soll der Angeklagte zwölf Mal auf den 19 Jahre alten Freund der jungen Frau eingestochen haben. Er erlitt unter anderem einen tödlichen Stich ins Herz.
Im weiteren Verlauf der Tat soll Ibrahim A. dann in verschiedenen Waggons des Zuges vier weitere Fahrgäste angegriffen und mit einer Vielzahl von Stichen und Schnitten schwer verletzt haben. Schließlich gelang es einem Mann, den Täter mit einer Aktentasche und einer Laptop-Tasche so zu schlagen, dass er das Messer verlor und umringt von Zeugen aufgab. Die Tat sorgte bundesweit für Entsetzen und Anteilnahme. Eine bei dem tödlichen Messerangriff verletzte Frau nahm sich später das Leben.
Anwalt des Angeklagten: Besser Psychiatrie als U-Haft
Verteidiger Björn Seelbach sagte, er gebe keine Erklärung für seinen Mandanten ab. Er wies aber darauf hin, er selbst - wie auch ein Psychiater, der Ibrahim A. begutachtet habe - seien der Ansicht, dass der Angeklagte besser in der Psychiatrie als in der Untersuchungshaft untergebracht wäre. Es gehe um die Frage der richtigen Sanktion für die Tat.
Der zuständige Gutachter sei sich aber noch nicht sicher, ob auch zum Tatzeitpunkt ein akuter wahnhafter Schub bestanden habe. Käme der Gutachter auch in dem Verfahren zu dem Schluss, wäre Ibrahim A. möglicherweise schuldunfähig gewesen. Staatsanwältin Seyfert betonte aber am Rande des Verfahrens, sie gehe derzeit von der Schuldfähigkeit des Angeklagten aus.
Eine 17-Jährige und ihr 19-jähriger Freund werden in einem Zug zwischen Kiel und Hamburg erstochen. Die Tat im Januar löst bundesweit Entsetzen aus. Hätte sie verhindert werden können?07.06.2023 | 28:42 min
16 Treffen mit Psychiater
Verteidiger Seelbach hatte noch vor dem Prozess gesagt, sein Mandant bestreite die Tat nicht. In der Untersuchungshaft fiel Ibrahim A. mehrfach wegen aggressiven Verhaltens auf und gilt als schwieriger Gefangener.
Der Mann war erst wenige Tage vor der tödlichen Messerattacke aus einer Untersuchungshaft entlassen worden, die er in Hamburg wegen einer anderen Straftat abgesessen hatte. Während dieser Zeit hatte er sich wegen psychischer Auffälligkeiten 16 Mal mit einem Psychiater getroffen. Wenige Monate vor seiner Entlassung aus dem Hamburger Gefängnis soll sich der mutmaßliche Mörder mit Anis Amri verglichen haben - dem Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz.
Es waren erhebliche Mängel beim Austausch von wichtigen Informationen zwischen Behörden in Hamburg, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen deutlich geworden. Ibrahim A. hatte in den Bundesländern gelebt und dort jeweils auch Straftaten begangen. Für den Prozess sind rund 40 Verhandlungstage bis kurz vor Weihnachten geplant.
Quelle: Sönke Möhl und Karen Katzke, dpa