Vor Olympia: Terror-Warnung der Hamas offenbar gefälscht
Faktencheck
Russische Fake News vor Olympia:Terror-Warnung der Hamas offenbar gefälscht
von Oliver Klein, Jan Schneider, Nils Metzger
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"Flüsse von Blut" in den Straßen von Paris: In einem Fake-Video droht angeblich die Hamas mit Terroranschlägen. Doch der Clip stammt wohl aus einer russischen Fälscherwerkstatt.
Ein angeblicher Hamas-Kämpfer warnt vor Anschlägen in Paris - dahinter steckt wohl russische Propaganda.
"Ihr werdet bezahlen, für das, was ihr getan habt", droht der schwarz gekleidete angebliche Hamas-Kämpfer. Auf seiner Brust prangt eine palästinensische Flagge, Kopf und Gesicht sind mit einem Tuch vermummt. "Ihr habt die Zionisten mit Waffen versorgt und geholfen, unsere Brüder und Schwestern und Kinder zu ermorden", schimpft der Mann. Seine Warnung, gerichtet an alle Franzosen und Präsident Macron, kurz vor Beginn der Olympischen Spiele:
Die Terrordrohung wurde allein im Kurznachrichtendienst X, früher Twitter, tausendfach geteilt und millionenfach angeschaut. Selbst Elon Musk antwortete unter einem der Clips, postete zwei Ausrufezeichen und sorgte so für noch mehr Reichweite.
Experten warnen zwar tatsächlich vor Terrorangriffen auf die Olympischen Spiele in Paris. Doch das Video ist ganz offenbar ein Fake, der von einer bekannten russischen Desinformationsgruppe zu stammen scheint.
Noch stärker als die EM in Deutschland bieten die Olympischen Spiele eine weltweite Bühne, die alle Formen von Extremismus anzieht. Die Sicherheitslage in Frankreich während der Olympischen Spiele sei daher sehr ernst zu nehmen, erklärt der Terrorismus-Experte Felix Neumann von der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS). Die größte Gefahr gehe dabei von islamistischen Terrorismus aus. Der Islamische Staat Provinz Khorasan (ISPK) habe das größte Gefahrenpotenzial, da er die finanziellen und logistischen Kapazitäten besitzt, Anschläge durchzuführen oder Personen in Europa dazu motivieren kann, Gewalttaten zu verüben. "Aber auch von anderen Extremismusformen geht das Potenzial von Anschlägen oder politischer Gewalt aus", sagt Neumann.
Die französischen Behörden haben bei diesen Spielen die zusätzliche Herausforderung, dass die einzelnen Veranstaltungen im dichtesten urbanen Gebiet des Landes stattfinden, schätzt der Terrorismus-Forscher Hans-Jakob Schindler vom Counter Extremism Project die Lage ein. Die Eröffnungsveranstaltung auf der Seine sei dabei eine ganz besondere Herausforderung, da fast 12 Kilometer Flussufer und Wasserfläche im Zentrum von Paris gesichert werden müssen und - wie auch in Deutschland bei den Stadien und Fanmeilen bei der EM - der Himmel von Dronen frei gehalten werden müsse.
"Daher gehe ich davon aus, dass natürlich für die Dauer der Spiele in Frankreich und insbesondere auch in Paris ein erhöhtes Sicherheitsrisiko besteht. Dies ist aber den französischen Behörden bewusst und diese haben sich seit Jahren hierauf vorbereitet", so Schindler.
Politiker aus mehreren EU-Ländern sollen über die prorussische Propagandaplattform "Voice of Europe" Geld erhalten haben. Erstmals meldet sich nun der Eigentümer zu Wort.14.05.2024 | 8:40 min
Clip stammt wohl aus russischer Fälscherwerkstatt
Forschende des Microsoft Threat Analysis Center analysierten das Video im Auftrag des US-Senders "NBC" und stellten fest, dass es vermutlich von der russischen Desinformationsgruppe "Storm-1516" stammt. Diese Gruppe ist bekannt für ähnliche Fakes: Im vergangenen Oktober kursierte bereits ein Video der Gruppe, in dem sich vermeintliche Hamas-Kämpfer für angebliche Waffenlieferungen bei der Ukraine bedanken. Das Zentrum für Medienforensik an der Universität in Clemson im US-Bundesstaat South Carolina entlarvte das damalige Video als Fälschung und Teil einer umfangreichen russischen Kampagne.
Auch der Clip, der nun kursiert, stammt nicht von der Hamas, er wurde ganz offensichtlich in derselben Fälscherwerkstatt fabriziert. Dafür gibt es etliche Hinweise:
Übereinstimmende Details in den Videos: In beiden Videos spricht offensichtlich derselbe Mann, der an seiner Stimme erkennbar ist - seine Ansprache beginnt sogar mit exakt denselben Worten. Er steht offenbar vor derselben grauen Wand, am rechten Bildrand sind ähnliche Strukturen der Wand in beiden Clips zu erkennen. Und: Er trägt in beiden Fällen genau die gleiche Uniform.
Der aktuelle Clip und die Fälschung von Oktober mit ähnlicher Aufmachung und identischen Worten: In beiden Clips spricht offenbar derselbe Mann - hier die jeweils ersten Sekunden beider Videos.25.07.2024 | 0:06 min
Verbreitungsweise der Clips: In beiden Fällen ist die gleiche Strategie erkennbar, um die Propaganda zu verbreiten. Zunächst wurden die gefälschten Videos in Sozialen Netzwerken über neue Konten mit wenigen Followern und auch über gefälschte Nachrichtenwebsites verbreitet. Später greifen einschlägig bekannte Accounts die Desinformation auf, die bereits früher mit dem Verbreiten russischer Propaganda aufgefallen waren. Das alles seien genau die gleichen Taktiken, die bei früheren "Storm-1516"-Operationen beobachtet wurden, heißt es von den Microsoft-Experten.
Vorgehen untypisch für Hamas: Die Hamas hat offizielle Medienbüros und Sprecher, die im Namen der Organisation kommunizieren. Eine offizielle Hamas-Botschaft würde über diese Kanäle oder über ein großes, meist arabisches Medium unter Verweis auf offizielle Hamas-Vertreter veröffentlicht. Das Video taucht auf diesen Kanälen nicht auf. Weder sind Hamas-Logos, -Uniformen, -Flaggen oder andere der üblichen visuellen Erkennungszeichen zu sehen. Die Person im Video nutzt auch nicht die üblichen Formulierungen und Redewendungen der Organisation. Die Hamas selbst bestreitet, der Urheber zu sein und bezeichnet das Video bei Telegram als Fälschung.
Ein Netzwerk russischer Fake-News-Seiten verbreitet massenweise Desinformation. Eine der Schlüsselfiguren: ein Ex-Polizist aus Florida. Auch in Deutschland tauchen Fake-Seiten auf.
von Oliver Klein
mit Video
Experte: Russland will Unsicherheit verbreiten
Das russische Vorgehen kommt für den Terrorismusexperten Hans-Jakob Schindler nicht überraschend. Mit einer solchen Desinformationskampagne solle Unsicherheit verbreitet werden, erklärt er gegenüber ZDFheute.
Das Ziel solcher Operationen Russlands sei es, Verwirrung zu stiften und soziale und gesellschaftliche Spannungen zu verstärken und außerdem Frankreich und damit auch die europäischen Sicherheitsbehörden als unfähig, unorganisiert und schwach darzustellen.
Die deutsche Bloggerin Alina Lipp berichtet im Angriffskrieg gegen die Ukraine aus den russisch besetzten Gebieten. Ihre Videos teilt sie mit rund 200.000 Followern.06.09.2023 | 28:59 min