Beim Skin-Picking knibbeln, kratzen oder drücken Betroffene an Pickeln und Hautunebenheiten, bis diese sich entzünden. Die Wunden können manchmal über Wochen oder Monate nicht verheilen, weil sie immer wieder bearbeitet und aufgekratzt werden. Bisherige Schätzungen sprechen dafür, dass etwa 1,5 bis 5 Prozent der Bevölkerung betroffen sein könnten, vermutlich mehr Frauen als Männer. Die Störung beginnt meist in der Pubertät oder im frühen Erwachsenenalter.
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Betroffene schämen sich
Skin-Picking gilt als psychische Störung, ist jedoch kaum erforscht. Denn jeder knibbelt mal an seiner Haut. Psychologen sprechen jedoch von krankhaftem Verhalten, wenn man die Kontrolle über diese „Knibbelsucht“ verloren hat, also häufiger als gewollt seine Haut bearbeitet und die Knibbel-Phasen länger als beabsichtigt andauern.
Betroffene berichten teilweise von festgelegten, abendlichen Ritualen vor dem Spiegel, in denen sie ihren Körper mit Pinzetten und Nagelscheren regelrecht malträtieren, obwohl dies zu schweren Hautschäden führt. Bevorzugte Körperstellen sind das Gesicht, das Dékolleté, der obere Rücken, die Schultern, Arme und Unterbeine. Zudem leiden Skin-Picker meist sehr stark unter Schamgefühlen und Selbstekel. Sie verstehen selbst nicht, weshalb sie nicht davon lassen können. Oft ziehen sie sich zurück und meiden soziale Kontakte.
Ursachen können in der Kindheit liegen
Trotz des Wissens um die negativen Folgen können Betroffene der Sucht, täglich ihre Haut zu bearbeiten, nicht widerstehen. Viele berichten, es komme durch das Kribbeln zum Abbau von Stress und negativen Gefühlen wie Trauer und Wut sowie generell zum Nachlassen einer inneren Anspannung. Doch die Erleichterung ist nur von kurzer Dauer, danach überwiegen Schuld- und Schamgefühle.
Meist scheuen die Betroffenen den Gang zum Allgemeinmediziner - und landen eher beim Dermatologen, der zwar die Wunden versorgt und Hautcremes verschreibt, aber nicht die Ursache behandeln kann. Dafür braucht es fachliche Unterstützung. Bewährt hat sich eine Kombination aus individuell zugeschnittener Verhaltens- und Körpertherapie, in der die Patienten verstehen lernen, in welchen Situationen der Drang übermächtig wird und mit welchen Strategien sie dann bewusst entgegen wirken können. Auch der Austausch in Selbsthilfegruppen ist ein Weg aus der Isolation und ein erster Schritt zur Selbsthilfe.
Zudem können tiefenpsychologische Ansätze helfen, den Ursachen auf die Spur zu kommen. In Fachkreisen vermutet man, die Ursachen könnten in manchen Fällen auf ein frühkindliches Trauma zurückgehen, das der betroffenen Person nicht immer bewusst sein muss. Das Zupfen an der Haut ist demnach eine Form der Angstabwehr, die sich schon sehr früh automatisiert hat und sich nun mit bloßem Willen nicht mehr kontrollieren lässt.
Bald auch in Deutschland als Krankheit anerkannt
Lange Zeit war Skin-Picking in Fachkreisen gar nicht benannt. Erst 2013 wurde es in den amerikanischen Diagnosekatalog Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM) als eigenständiges Krankheitsbild erfasst als sogenannte "excoriation disorder" unter der Rubrik "obsessive-compulsive disorders and related" (deutsch: verschiedene Zwangsstörungen).
Experten rechnen damit, dass die Störung nun auch bei der nächsten Überarbeitung in den ICD-10, einer vom WHO herausgegeben internationalen Klassifizierung psychischer Störungen, aufgenommen wird. Somit haben Betroffene dann offiziell Anspruch Kostenübernahme einer Therapie durch ihre Krankenkasse.