Bei einer Opioid-Überdosierung wird der Atemantrieb gehemmt und der Sauerstoffaustausch dadurch gebremst. Der Körper benötigt und verarbeitet jedoch weiterhin Sauerstoff, ohne dass ihm neuer zugeführt wird. So entsteht ein Sauerstoffmangel im Gehirn, der wiederum dazu führt, dass der/die Opioidüberdosierte das Bewusstsein verliert und in weiterer Folge einen Herzstillstand erleidet.
Wirkstoff hebt Symptome der Überdosierung auf
Naloxon hebt alle diese Symptome auf, indem es sich im Gehirn an die Rezeptoren wendet, die vorher von Opioiden besetzt waren. Da keine oder weniger Opioide an den Rezeptoren ihr „Unwesen“ treiben können, nimmt der Atemantrieb wieder zu und in der Folge kippen – einem Dominoeffekt gleich – alle weiteren Symptome mit weg. Naloxon selbst hat keine intrinsische Aktivität, das heißt, es hat keine Wirkung. Zudem ist die Anwendungsform mittels Nasenspray eine sichere und einfache. Sie eignet sich daher ideal für die Hand eines medizinischen Laien.
Allerdings ist für die erfolgreiche Anwendung von Naloxon ein Faktor wichtig: In 70 bis 90 Prozent aller Fälle einer Überdosierung sind dritte Personen anwesend. Oft sind es zwar ebenfalls Drogenkonsumenten, diese sind aber - das ist wissenschaftlich nachgewiesen - in der Regel bereit, in einer Überdosierungssituation zu helfen. Allein wäre der Drogenkonsument schwerlich in der Lage, sich selbst in dieser Situation ein Gegenmittel zu verabreichen.
Naloxon-Anwendung in Erprobungsphase
Um zu prüfen, wie ein medizinischer Laie effizient helfen kann, hat der bayerische Landtag das Modellprojekt „Take Home Naloxon“ gestartet: In 2 Jahren sollen 500 TeilnehmerInnen geschult werden. Das Projekt ist das europaweit größte in diesem Bereich. Von diesen geplanten 500 Opioid-Abhängigen konnten (Stichtag 12.11.2019) bereits 369 TeilnehmerInnen in die Studie aufgenommen, geschult und mit Naloxon-Kits ausgestattet werden. Die Schulungen werden an fünf Einrichtungen in Bayern durchgeführt.
In der Studie werden alle Gruppen Opioid-Abhängiger eingeschlossen, die ein erhöhtes Risiko für eine Überdosierung haben. Neben den „aktiven Konsumenten“, vor allem Substituierte (die zu Beginn ihrer Substitutionsbehandlung ein zwei- bis dreifaches Risiko für eine tödliche Überdosierung haben und am Ende derselben ein acht- bis neunfaches Todes-Risiko) sowie Opioidabhängige in Haft (die in der ersten Woche nach Entlassung aus Gefängnis ein 12,5-faches Risiko für eine Opioid-Überdosierung haben). Schulungen in Gefängnissen mit Naloxonvergabe bei Haftentlassung sind deutschlandweit in diesem Rahmen einzigartig.
Medizinische Laien können zu Lebensrettern werden
Um diesen Erfolg nun evaluieren zu können, füllen die TeilnehmerInnen vor und nach der Schulung einen Fragebogen aus. Ebenso füllen die Trainer einen (anderen) Fragebogen aus. Nach einem erfolgten Naloxon-Einsatz kommen die TeilnehmerInnen wieder in die Schulungszentren und berichten über den Einsatz. Dies erfolgt wiederum über einen Fragebogen.
Egal wer geschult wird, am Ende ist es nur wichtig, die Frage zu klären, unter welchen Umständen die anwesenden medizinischen Laien effizient Hilfe leisten können, sodass der/die Überdosierte die besten Überlebenschancen hat.