Kinder im Haushalt einspannen

Eigentlich ist die Förderung von Kindern im Vorschulalter wunderbar einfach und vermittelt allen Beteiligten Freude und den Kindern das Gefühl, gebraucht zu werden. Jeder Haushalt bietet so viele fantastische Fördermöglichkeiten vorschulischer Fähigkeiten, beim Tisch decken, Socken legen und Brot schmieren. Aber Eltern haben ihre eigene Vorgeschichte und manchmal eine spezielle Lebenssituation, aus der heraus die Selbstständigkeitsentwicklung des Kindes nicht immer so unterstützt werden kann, wie es vielleicht wünschenswert wäre.

Die Kinder sagen uns mit Ihrem Entwicklungsdrang: „Lass mich mal ran, trau mir was zu“. Aber vor allem drei Faktoren verhindern das oft auf Seiten der Eltern: Auf der einen Seite sehe ich Eltern, die mit ihrem eigenen Leben so beschäftigt sind, dass sie gar nicht den Blick dafür haben, was ihr Kind jetzt gerne lernen würde. Auf der anderen Seite der Skala, sind Eltern, die „zu viel“ gucken, ständig wie ein Helikopter über den Kindern kreisen und alle Schwierigkeiten, an denen man lernen und reifen könnte am liebsten aus dem Weg räumen würden. Diese Kinder erhalten häufig viele Freizeitförderangbote, aber es fehlt den Kindern das Zutrauen in ihre eigenen Kräfte, das Selbstbewusstsein und die Selbstwirksamkeit. Ein Beispiel: Ein Kind hat sich mit viel Mühe alleine angezogen hat, in den Augen der Eltern aber nicht „ordentlich“ genug. Es könnte sich ja erkälten. Und deshalb wird schnell alles wieder geöffnet und „richtig“ festgezurrt. Und dazwischen sind sehr viele Eltern, die nur das Beste für Ihr Kind wollen und an so einfache Fördermöglichkeiten wie das Wählen am Telefon zum Erlernen der Zahlensymbole noch gar nicht gedacht haben.

Mit meinem Programm möchte ich allen Eltern zeigen, dass sie selbst viele großartige Fähigkeiten besitzen und dass eine gute Schulvorbereitung nicht von der Bildung oder dem Einkommen der Eltern abhängen muss. Wer selbst abwaschen, einkaufen und telefonieren kann, der kann diese Fertigkeiten auch seinem Kind mitgeben. Eltern müssen nicht Eventmanager für ihre Kinder werden, um sie gut auf die Schule vorzubereiten.

Es geht ja nicht nur darum, die Voraussetzungen für Lesen, Schreiben und Rechnen zu erwerben. „Selbstwirksamkeit“ ist ein Zauberwort in der Psychologie geworden. Das Gefühl, selbst Handlungsmöglichkeiten zu haben, um mit den Widrigkeiten des Lebens fertig zu werden ist ein Schlüssel zur psychischen Stabilität. Mein Schlüsselerlebnis war das Anstehen in der Bäckerschlange am Muttertag 2005. Da kam mir ein fünfjähriger Junge entgegen, der gerade die Brötchen geholt hatte und strahlte über das ganze Gesicht. Und ich dachte: Warum dürfen nicht alle Kinder solche Erfahrungen machen, die sie stark und glücklich machen.

Bedrückend. Das Gefühl von Selbstwirksamkeit wird ersetzt durch „ich mach es nie gut oder schnell genug für Mama und Papa“. Und wer immer jemanden hatte, der ihm oder ihr gesagt hat, was richtig ist und wo es jetzt langgeht, hat natürlich ein großes Problem, wenn er oder sie nach der Schule auf einmal selbst entscheiden soll, wo es im Leben hingehen soll. Manchmal ist dann „Hotel Mama lebenslänglich“ die naheliegende Möglichkeit. Die Rossmann-Studie hat nach 20-jähriger Beobachtung festgestellt, dass der wichtigste Faktor für einen guten Schulabschluss und einen Plan für die Berufstätigkeit das Ausmaß war, mit dem die Kinder mit drei bis vier Jahren im Haushalt mitgeholfen haben. Das Vorschulalter scheint hier eine besonders sensible Phase zu sein.

Na, ja, besser nicht, denn schließlich lernt man die Stifthaltung am besten, während man einen Stift benutzt, was Mädchen tendenziell gerne von sich aus tun. Aber bei vielen Jungen mit vier bis fünf Jahren ist das Interesse am Malen eher marginal vorhanden. Und da soll man die Jungs nicht stressen, das kommt ja von alleine, wie das Interesse am Radfahren, spätestens wenn man sich dafür interessiert, wie man seinen Namen schreibt. Aber in der Zwischenzeit können Jungen und Mädchen viele wertvolle Erfahrungen mit der Kraftdosierung und Feinmotorik beim Brotschmieren machen: „Drück ich zu doll, drück ich die Marmelade durch das Brot auf den Teller. Drück ich zu lasch, denkt die Nusscreme gar nicht daran, sich vom Messer in Richtung meines Brotes zu bewegen.“ Das Brot ist einfach ein genialer Lehrmeister dafür.

Am ersten Elternabend in der ersten Klasse hörte ich bei allen meiner 3 Kinder die Klagen der Lehrer, dass die Kinder zwar super motiviert, aber völlig unorganisiert sind und es zum Beispiel ewig dauert, bis alle Kinder mal das richtige Buch gefunden und die richtige Seite aufgeschlagen haben, damit man überhaupt mit dem Lesen lernen anfangen kann. Also habe ich nach Möglichkeiten gesucht, wo man sich im Alltag in einer extrem ablenkenden Umgebung mehrere Aufträge merken und sich gleichzeitig räumlich orientieren muss. Meinen Kindern verdanke ich, dass ich dabei auf den Supermarkteinkauf gestoßen bin, wo genau diese Dinge geübt werden können – und zwar Schritt für Schritt.

Schon mit kleinen Unterschieden in der Kommunikation können Eltern viel erreichen. Ob ich sage: „Fall da bloß nicht runter!“ oder: „Halt dich da am Ast fest!“ entscheidet nicht nur darüber, ob sich das Kind auf das Fallen oder das Festhalten konzentriert. Bei zu vielen überflüssigen Warnungen schaltet das Gehirn auf Durchzug, so als ob die Kinder denken würden: „Schließlich labert der Alte immer rum und es passiert meist ja nichts, also kann man das Gelaber besser ignorieren“. Das passiert natürlich nicht bewusst. Wichtig ist auch ein sicheres Zuhause, in dem die Eltern nicht ständig rufen müssen: „Komm da sofort runter, der Fernseher kippt sonst um“ usw. Fernsehen im Kleinkindalter ist auch eine Erziehung zum Nichthören: „Da redet immer jemand rum und gestikuliert, aber ob ich antworte oder nicht, interessiert den überhaupt nicht“ empfindet dann das Kind. Entscheidend scheint mir aber der Respekt vor Kindern zu sein, wenn wir möchten, dass sie unseren Worten auch Respekt entgegenbringen. Wer sagt „Möchtest du dich anziehen?“ und das durch Weiterspielen geäußerte „Nein“ des Kindes auf diese Frage nicht respektiert, sondern Sekunden später droht „Wenn du dich nicht sofort anziehst, dann…“, der bringt Kinder zum Nichthören, besonders, wenn die Kinder wissen, dass das Angedrohte sowieso nicht umgesetzt wird. Wer solche Sätze als Kind häufig hört, der kann seine Seele am besten schützen, indem er auf Durchzug stellt. Viel einfacher ist es zu sagen: „Zieh dich jetzt bitte an!“.

Wer hinter dem Kind irgendwas ruft, wird kaum sein Kind erreichen, woher soll es auch wissen, dass es selbst gemeint ist, und der Vater nicht gerade eine Sprachnachricht aufnimmt? Also: Hinhocken, auf Augenhöhe gehen (das sind wir wieder beim Respekt und bei der Gleichwürdigkeit, wie Jesper Juul das nennt), sich vergewissern, dass das Kind einen ansieht und dann seine Botschaft loswerden. Geht ins Ohr und bleibt im Hirn. Wertschätzung und Wahrnehmen von Bemühen ist immer gut. Beim Loben kann man des Guten auch zu viel tun. Wer das Gekritzel seines Dreijährigen frenetisch feiert („der neue Picasso“), der meint es sicher gut mit seinem Kind. Das Kind merkt sich aber: „Wenn die über sowas so jubeln, heißt das, dass sie mir eigentlich gar nichts zugetraut haben. Die halten mich also für unfähig.“ Angemessenes Lob ist eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung von Resilienz im Sinne einer psychischen Stabilität.

Eigentlich müssen Eltern gar nichts tun, außer liebevoll beobachten und vorsichtig unterstützen. Der Drang zur Selbstständigkeit ist den Kindern eingebaut wie der Drang zu Laufen und zu Reden – jedenfalls, wenn es jemanden gibt, den interessiert, was das Kind tut. Und genauso, wie wir nicht bewerten (sollten), ob es besser ist, zuerst zu laufen oder zuerst „Mama“ zu sagen, sondern uns über jeden Meilenstein freuen, brauchen wir auch im Vorschulalter nur darauf achten, welche Alltagstätigkeit die Kinder als nächstes erlernen möchten. Bei dem einen Kind ist das vielleicht Brötchen holen und beim anderen Kind Kekse ausstechen. Das Gehirn von Kindern ist auf Lernen programmiert und tut nichts so gern wie das.

Einen ersten Überblick über die Möglichkeiten der Förderung im Haushalt finden Eltern in einem Blitztest zur Alltagskompetenz Ihrer Kinder auf www.FamilienErgo.de.