Die natürlich anfallende Gewebsflüssigkeit kann nicht abtransportiert werden. Die Schwellung ist dauerhaft und mitunter fortschreitend. Betroffene Körperteile sind meistens Arme und Beine, aber ein Lymphödem kommt auch am Kopf, Hals, Rumpf oder den Genitalien vor.
Allgemein unterscheidet man das primäre und das sekundäre Lymphödem. Das primäre Lymphödem besteht von Geburt an. Das heißt, es handelt sich um eine erblich bedingte Erkrankung oder Fehlbildung des Lymphgefäßsystems. Im Gegensatz dazu wird das sekundäre Lymphödem erst im Laufe des Lebens erworben, etwa bei der Behandlung von Tumorerkrankungen, also durch die Entnahme oder Bestrahlung von Lymphknoten. An der betroffenen Stelle wird der Lymphfluss massiv gestört. Sekundäre Lymphödeme treten häufiger auf als primäre.
Verlauf der Erkrankung
Ein Lymphödem im frühen Entwicklungsstadium ist zunächst nicht mit bloßem Auge zu erkennen. Die Transportkapazität der Lymphgefäße verschlechtert sich jedoch zunehmend, bis sich an der betroffenen Stelle eine teigig weiche Schwellung bildet. Diese ist vorerst noch nachgiebig, lässt sich also mit dem Finger eindrücken und klingt ab, wenn der betroffene Körperteil hochgelagert wird.
Im weiteren Verlauf verhärtet sich diese Schwellung jedoch und lässt sich weder eindrücken, noch geht sie zurück. Im Endstadium kann es schließlich zur schwersten Form, der sogenannten Elephantiasis, kommen: Das betroffene Körperteil vergrößert sich stark und schwillt bis zur Unförmigkeit an. Die Haut ist verdickt und verhärtet und kann sogar verhornen. Sie neigt außerdem dazu, Bläschen, Fisteln oder Ekzeme zu entwickeln und weist eine schlechte Wundheilung auf. Auch die Beweglichkeit des Körperteils ist stark beeinträchtigt.
Konservative Behandlungsmethoden
Solange sich das Lymphödem noch im Anfangsstadium befindet, sollten Betroffene den angeschwollenen Körperteil regelmäßig hochlagern, damit sich die Lymphflüssigkeit verteilt und so der Druck abnimmt. Außerdem sollen Verletzungen möglichst vermieden werden, da an den Körperteilen Hautinfektionen, wie beispielsweise eine Wundrose, entstehen können. Bei Entzündungsanzeichen sollte sofort der Arzt aufgesucht werden. Die konservative Therapie eines Lymphödems zielt primär darauf ab, die Stauung der Lymphflüssigkeit aufzuheben. Da bei einem primären Lymphödem die Ursachen erblich bedingt sind, ist eine vollständige Heilung mit der konservativen Behandlungsmethode nicht möglich. Es kann nur eine vorübergehende Entlastung geschaffen werden.
Hauptbestandteil der konservativen Behandlung ist eine manuelle Lymphdrainage. Bei dieser werden die Haut und das darunterliegende Lymphgewebe vom Therapeuten massiert. Mit speziellen Griffen aktiviert dieser die Eigenbewegung der Lymphgefäße, sodass die Lymphflüssigkeit in Richtung Bauch- und Brustbereich befördert wird und sich das Ödemvolumen vermindert. Der Effekt hält etwa 24 Stunden an, weshalb die Anwendung regelmäßig, im Idealfall mehrmals pro Woche, erfolgen sollte. Fortgeführt wird die Therapie mit Kompressionsbandagen und Kompressionskleidung. Die Verbände drücken dauerhaft und mäßig auf das Gewebe, wodurch die Lymphflüssigkeit im betroffenen Körperteil gleichmäßiger verteilt wird. Dadurch empfinden die Betroffenen weniger Schmerzen, der Lymphstau wird minimiert. Um diese Wirkung noch zu verbessern, werden Gymnastikübungen in Kompressionskleidung durchgeführt, die vom Therapeuten speziell nach der Lage des Lymphödems konzipiert werden. Eine sorgfältige Hautpflege wird zusätzlich angewandt, um Einrissen, Verletzungen und somit nachfolgende Infektionen vorzubeugen.
Lymphknotentransplantation
Wenn Patienten über mehrere Jahre keine sichtbaren Erfolge mehr mit den konservativen Behandlungsmöglichkeiten erzielen, kann eine Lymphknotentransplantation in Betracht gezogen werden. Dieses Verfahren wird erst seit etwa zehn Jahren von Mikrochirurgen angewendet. Dabei werden gesunde Lymphknoten entnommen und in den Bereich, in dem die Stauung auftritt, verpflanzt. Der Hals- und Kinnbereich eignet sich besonders als Entnahmestelle, weil hier viele und qualitativ hochwertige Lymphknoten sitzen. Die übrig gebliebenen Lymphknoten können die Arbeit des entfernten Gewebes kompensieren. Dadurch ist das Risiko eines zusätzlichen Lymphödems, ausgelöst durch die Entnahme der gesunden Lymphknoten im Rahmen der Operation, verhältnismäßig gering.
Zunächst wird die Entnahmestelle freigelegt, die Lymphknoten werden aber noch nicht entfernt. Erst wenn die Empfängersteller, z.B. am Unterschenkel präpariert wurde, werden die Lymphknoten in einem sogenannten Gewebeblock entnommen und an die Empfängerstelle verpflanzt. Das Gewebe wird mikrovaskulär angeschlossen, das bedeutet, der Gewebeblock wird mit einem Zufluss durch die Schlagader und einem Abfluss durch eine Vene verbunden. Die Lymphknoten finden dann von sich aus Anschluss an das umliegende Gewebe. Dadurch wird eine neue Lymphstraße geschaffen, die die Stauung umgeht. Die Lymphflüssigkeit kann so wieder abtransportiert werden. Beim Anschluss der Gefäße verwenden die Operateure sehr filigranes OP-Werkzeug, zum Beispiel Nadeln und Fäden, die dünner sind als menschliche Haare. Um die Anschlüsse so gut wie möglich sichtbar zu machen, verwenden die Ärzte, neben ihren Lupenbrillen, ein Mikroskop, das die Gefäße bis zu zehnfach vergrößert darstellt.
Erfolgschancen von über 80 Prozent
Ob und wie viele Lymphbahnen sich nach der Eigengewebstransplantation ausbilden, kann man nach etwa sechs Monaten feststellen. Erst dann ist ein deutliches Abschwellen des Körperteils zu beobachten. Bis dahin wird der Umfang der betroffenen Körperstelle regelmäßig kontrolliert. Finden die Lymphknoten schnell Anschluss an das umliegende Gewebe, kann der Umfang der betroffenen Körperstelle schätzungsweise um zwanzig bis dreißig Prozent reduziert werden, was einigen Zentimetern entspricht. Es gab schon Fälle, in denen die betroffene Stelle im Umfang gänzlich auf den Normalzustand reduziert werden konnte. Es wurden aber gleichzeitig auch schon Fälle registriert, in denen sich der Zustand nach dem Eingriff sogar verschlechterte.
Nach bisherigen Erkenntnissen liegen die Erfolgschancen bei über 80 Prozent, je nach Gesundheitszustand des Patienten und Qualität der transplantierten Lymphknoten können sie aber variieren. Langfristige Studienergebnisse über mehr als zehn Jahre liegen aber noch nicht vor. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten für den Eingriff, wenn ein individueller Kostenübernahmeantrag vorliegt, der eine medizinische Indikation bestätigt.