Knapp ein Viertel der Betroffenen des Symptoms leidet langfristig unter den Spätfolgen und kann nicht mehr in ein normales Leben zurückkehren. Das Phänomen ist wenig erforscht und es gibt bisher auch keine effiziente Therapie. Pionierarbeit zur Prävention wurde nun in der Berliner Charité geleistet: Ein interdisziplinäres Team konzipierte über einen Zeitraum von knapp zehn Jahren eine Intensivstation mit zwei Zimmern und insgesamt vier Betten komplett neu: Intensivmediziner und Pflegepersonal arbeiten dafür mit Architekten und Mediengestaltern zusammen, ferner wurde das Projekt von Sprachforschern, sowie Licht- und Akustikexperten unterstützt.
„Out of the Box“ denken
Ausgangspunkt des Projekts war, eine möglichst angenehme, angstfreie Umgebung zu schaffen. Prof. Claudia Spies, Initiatorin und Leiterin des Projekts, holte sich bewusst Partner ins Boot, die die übliche Krankenhausarchitektur ganz neu überdenken sollten. Unter Designern und Kreativen spricht man in solchen Fällen vom „out of the box“-Denken - gemeint ist der Blick über den Tellerrand. Das Ergebnis sieht auf den ersten Blick mehr nach Hotelzimmer als nach Krankenhaus aus: dunkles Holz, Möbelelemente mit abgerundeten Ecken, und als Kernstück ein vier Quadratmeter großer Lichthimmel, der sich über dem Krankenbett wölbt.
Biodynamisches Licht reguliert den Schlaf-Wach-Rhythmus
Gesunder Schlaf fördert die Selbstheilungskräfte. Doch gerade bei Intensivpatienten ist der Tag-Wach-Rhythmus meist gestört. Aus der Chronobiologie weiß man: Menschen, die tagsüber eine vernünftige Beleuchtung haben, schlafen nachts messbar tiefer und länger. Der Lichthimmel im Intensivzimmer vermittelt nicht nur ein Gefühl der Geborgenheit, er reguliert auch die innere Uhr der schwer kranken Patienten, indem spezielle Lichtprogramme den natürlichen Wechsel von Tag und Nacht simulieren.
Krankenhausgeräusche reduzieren
Das neue Intensivzimmer hat nicht nur optische Vorteile: auch die typischen Klinikgeräusche wie piepsende Monitore, brummende Sauerstoffgeräte und geräuschvolle Schubladen sollen reduziert werden. Technik, die nicht ständig im Blick sein soll, wird hinter Holzblenden versteckt, die störenden Geräusche somit abgedämmt. Alarmsignale sind nicht mehr direkt im Zimmer zu hören, wo sie Angehörige und Patienten gleichermaßen beunruhigen. Sie werden nun in einen eigens konzipierten Observationsraum übertragen, der die beiden Intensivzimmer als Mittelstück miteinander verbindet. Hier kann das Personal die Patienten durch Glasfenster von außen beobachten.
Die Schubladenschränke mit medizinischem Material sind so konzipiert, dass man sie im Observationsraum auffüllen kann und auf der anderen Seite, im Patientenzimmer, das Material wiederum entnehmen kann. So wird eine weitere Lärmquelle vermieden. Messungen zeigen: Im neuen Intensivzimmer kann der Geräuschpegel auf unter 40 Dezibel gesenkt werden. Auf herkömmlichen Stationen steigt er auf bis zu 80 Dezibel - eine Geräuschkulisse wie im Großraumbüro.
Ziel erreicht: Delire verhindern
In einer Ministudie hat Claudia Spies die Daten von 37 Patienten im Projekt-Zimmer mit 37 weiteren Patienten auf einer normalen Station verglichen. Im neuen Intensivzimmer konnten Delire um knapp die Hälfte gesenkt werden und die Patienten brauchten weniger Medikamente. Dieses Ergebnis soll in den nächsten Jahren in größeren, randomisierten Studien an mehreren Intensivzentren verifiziert werden. Der Prototyp des neuen Intensivzimmers soll bald in Serie gehen. In der Anschaffung soll er dann nicht viel teurer werden als die Einrichtung eines herkömmlichen Intensivzimmers.