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Leiharbeit: Ausbeutung oder Jobchance?

Leiharbeit ist als Wiedereinstieg in den Job gedacht, wird aber oft zum Dauerzustand. Im April wurden neue Regelungen eingeführt, die die Situation von Leiharbeitern verbessern sollen. Wie sieht die Realität heute aus?

Datum:
28.08.2017
Verfügbarkeit:
Video leider nicht mehr verfügbar

Die Leiharbeitsbranche hat in den letzten Jahren sehr hohe Zuwachsraten erlebt: Die Anzahl der Leiharbeitnehmer in Deutschland ist seit dem Jahr 2000 um das Dreifache gestiegen. „Es ist allerdings festzustellen, dass der Anstieg seit circa 2010 abflacht“, sagt Jens Niehl, Fachanwalt für Arbeitsrecht. Aus seiner Sicht hängt dies mit der Stärkung der Leiharbeitnehmer durch die Rechtsprechung und den Gesetzgeber zusammen. So würden die Möglichkeiten, Leiharbeitnehmer mit einer geringeren Vergütung als die Stammbelegschaft zu beschäftigen, zusehends begrenzt. „Vor wenigen Jahren wurde zum Beispiel das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz geändert“, sagt Niehl.

Leiharbeiter-Rechte weiter gestärkt

Am 1. April 2017 trat ein neues Gesetz in Kraft. Ein zentraler Punkt darin ist der Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ („Equal Pay“). Spätestens nach neun Monaten soll ein Leiharbeiter genauso viel verdienen wie sein Kollege aus der Stammbelegschaft, es sei denn, die Entleiher und Verleiher haben sich an einen Tarifvertrag gebunden. Dann können sie unter bestimmten Umständen vom Gesetz abweichen. Zum Arbeitsentgelt zählt dabei jede Vergütung, die aus Anlass des Arbeitsverhältnisses gewährt wird bzw. aufgrund gesetzlicher Entgeltfortzahlungstatbestände gewährt werden muss, wie Urlaubsgeld, Entgeltfortzahlung, Sonderzahlungen, Bonuszahlungen, Zulagen, Zuschläge sowie vermögenswirksame Leistungen.

Außerdem können Leiharbeitnehmer nunmehr insgesamt höchstens 18 Monate lang dem gleichen Betrieb überlassen werden. Danach müssen sie übernommen oder abgezogen werden. In Tarifverträgen können Arbeitgeber und Arbeitnehmer darüber hinausgehen. Der Einsatz von Leiharbeitern als Streikbrecher wird untersagt. Eine Regelung, die auch der Stammbelegschaft zugutekommt, da nunmehr Leiharbeiter nicht mehr jene Tätigkeiten von Arbeitnehmern übernehmen dürfen, die sich im Arbeitskampf befinden.

Neue Chancen

Leiharbeit bietet allerdings auch Vorteile. Jens Niehl: „Viele Menschen finden eine Anstellung, die vorher arbeitslos waren oder noch nie einen Job hatten.“ Gerade wenig qualifizierte Arbeitnehmer könnten über ein Leiharbeitsverhältnis überhaupt erst eine Chance auf dem Arbeitsmarkt bekommen.

Ein gewisser Anteil an Leiharbeitern werde auch regelmäßig von dem Entleiherbetrieb übernommen, sagt der Fachanwalt. Dies gelte insbesondere für gut qualifizierte Kräfte, wie Arbeitnehmer, die einen technischen Beruf erlernt haben oder Akademiker. Ungelernte Kräfte werden seltener übernommen. Häufig hat der Verleiher, also der Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers, mit dem Entleiher eine Provision für die Übernahme des Leiharbeitnehmers vereinbart. „Viele Entleiher wollen diese Provision nicht zahlen und übernehmen daher den Leiharbeitnehmer nicht“, sagt Jens Niehl.

Wiedereinstellung durch die Drehtüre

Ein weiteres Problem ist, dass Mitarbeiter gekündigt und über eigens ausgegliederte Leiharbeitsfirmen wieder eingestellt werden, und somit den gleichen Job für weniger Geld erledigen. Um dies einzudämmen, sei im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz eine so genannte „Drehtürklausel“ aufgenommen worden. Jens Niehl: „Das bedeutet, dass die Stammbelegschaft nicht den Betrieb verlassen und als Leiharbeitnehmer zur gleichen Tätigkeit zurückkehren darf.“

Ein Gesetz müsse allerdings auch durchgesetzt werden, sagt Jens Niehl und ergänzt: „Hier ist nicht nur der Staat, sondern es sind auch die Arbeitgeber, Gewerkschaften, Betriebsräte und auch der einzelne Arbeitnehmer selbst gefragt. Häufig nehmen Arbeitnehmer schlechtere Arbeitsbedingungen hin, ohne dagegen vorzugehen. Umgekehrt wird es unabhängig von gesetzlichen Regelungen immer Arbeitgeber geben, die versuchen werden, so wenig wie möglich zu zahlen.“

Stammbelegschaft gegen Leiharbeiter

Die Gesetzeslage verändert sich kontinuierlich und die Regelungen zur Arbeitnehmerüberlassung werden immer strenger angewendet. Dies hat zur Folge, dass Unternehmen eher ganze Aufgabenfelder ausgliedern, als mehr Leiharbeiter heranzuziehen. Diese Tätigkeiten werden dann nicht mehr von der Stammbelegschaft erbracht. „Es werden dann Verträge mit Fremdanbietern geschlossen, die beispielsweise Kerntätigkeiten des Arbeitgebers weiterführen. So wird zum Beispiel in einem Schlachtbetrieb das Zerlegen der Schweine nicht mehr von der eigenen Belegschaft ausgeführt, sondern von einer Fremdgesellschaft“, skizziert Niehl.

Schwarze Schafe erkennen

Seriöse Zeitarbeitsfirmen halten sich an Tariflöhne. Achten Sie darauf, dass die Zeitarbeitsfirma dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsfirmen angehört. Die Firma sollte von der Bundesagentur für Arbeit eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung haben. Diese sollten Sie sich zeigen lassen. Eine Internetrecherche kann ebenfalls Anhaltspunkte über die Seriosität der Firma liefern.

Mit Material von ZDF, dpa, epd

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