Unser Immunsystem ist darauf eingestellt, fremde Organismen anzugreifen. Tumorzellen entwickeln sich jedoch aus körpereigenen Zellen und werden daher vom Immunsystem erst spät erkannt. Trotzdem können sie dann eliminiert werden. Doch das funktioniert nicht immer. In der Forschung stellt man sich daher seit langem die Frage: Wie kann das Immunsystem dazu gebracht werden, Tumorzellen umfassend und früh zu erkennen?
Als erstes wurde 2011 ein Medikament gegen den schwarzen Hautkrebs zugelassen. Für weitere Krebsarten sind seitdem Medikamente hinzugekommen. Die häufigste Form von Lungenkrebs kann seit 2015 mit der Immuntherapie behandelt werden. Für die Menschen, bei denen sie anschlägt, kann sie über Jahre Lebenszeit und Lebensqualität bringen. Noch ein Vorteil dabei: die Nebenwirkungen sind meist beherrschbar. Es kann zwar zu Entzündungen von Organen kommen, weil das aufgestachelte Immunsystem überreagiert und auch gegen gesunde Zellen vorgeht. Aber meist kann dann gezielt gegengesteuert werden.
So funktioniert die Immuntherapie
Es gibt verschiedene Wege, wie die körpereigene Abwehr zum Kampf gegen den Krebs „überredet“ werden soll. Eine Methode ist der Einsatz von „Checkpoint-Inhibitoren“. Das Prinzip dahinter: Den Krebszellen soll die „Tarnkappe“ heruntergerissen werden, mit der sie sich vor dem Immunsystem verstecken. Denn eigentlich zerstören Immunzellen krankhaft veränderte Körperzellen ganz von alleine.
Aber Tumorzellen tricksen das Immunsystem aus, indem sie ihm über spezielle „Checkpoints“ mitteilen, dass sie ungefährliche, gesunde Zellen seien. So können sie sich ungestört ausbreiten. Hier setzt die Immuntherapie an: Sie unterdrückt die Übermittlung der Falschinformationen, so dass das Immunsystem den Feind erkennt und zum Angriff gegen die Tumorzellen übergeht.
Nicht immer wirksam
Doch die Immuntherapie wirkt nicht bei allen Krebsarten gleich gut. Zwar sind die Erfolge beim Hautkrebs besonders groß und auch vielen Lungenkrebs-Patienten kann geholfen werden. Bei Darm-, Brust- und Prostatakrebs muss die Forschung jedoch noch weitergehen, um ähnliche Erfolge zu erzielen.
Auch sprechen nicht alle Patienten gleich gut auf die neue Therapieform an. Vielleicht spielen genetische Faktoren hier eine Rolle. In der weiteren Forschung geht es insbesondere darum, immer gezieltere Therapien und Medikamente zu entwickeln. Unklar bleibt vorerst auch, ob Patienten mit der Immuntherapie wirklich geheilt werden können oder ob der Krebs nur eine Zeitlang in Schach gehalten wird. Es gibt noch keine Langzeitergebnisse.
Von mehreren Seiten angreifen
Die Immuntherapie zählt zu den ganz großen Hoffnungen in der Medizin. Die Forschung geht weiter, viele Studien laufen. Noch wird die junge Behandlungsmethode nur eingesetzt, wenn sich beim Patienten bereits Metastasen gebildet haben. Es wird daran gedacht, die Behandlung schon früher beginnen zu lassen. Bei jeder Ausweitung der Indikation muss aber zunächst geklärt werden, ob dadurch nicht mehr Schaden angerichtet wird als Nutzen entsteht.
Die bisherigen Behandlungsmethoden – Operation, Strahlentherapie, Chemotherapie – haben keineswegs ausgedient. Im Gegenteil: Mediziner hoffen darauf, verschiedene Therapieformen sinnvoll miteinander kombinieren zu können. Denn: Krebszellen passen sich schnell an. Greift man eine Tumorzelle über mehrere Wege an, ist die Gefahr, dass sie sich allen Angriffen entzieht, geringer.