Rund 1200 Menschen erfahren jedes Jahr erst von ihrer HIV-Infektion, wenn sie bereits einen schweren Immundefekt haben. Außerdem tragen zehn Prozent ein HI-Virus in sich, das bereits gegen einige Wirkstoff resistent ist.
Kein Todesurteil mehr
Bis Mitte der 90er-Jahre kam die Diagnose HIV für die Betroffenen einem Todesurteil gleich. Denn damals gab es noch kein wirksames Medikament gegen das Virus. Früher oder später brach bei diesen Patienten die Immunschwächekrankheit AIDS aus. Typische Begleiterkrankungen waren zum Beispiel schwarze Hauttumore, eine Lungenentzündung, ausgelöst von einem Keim, der normalerweise nur Babys befällt, und typische oder atypische Tuberkulose. Nach Ausbruch der Immunschwäche AIDS lag die Überlebenschance gerade einmal bei drei Jahren. Etwa 30.000 Menschen sind bisher in Deutschland an den Folgen von AIDS gestorben.
1996 gelingt Forschern aus den USA schließlich mit der hochaktiven antiretroviralen Therapie der Durchbruch. Bei dieser sogenannten Kombinationstherapie werden mehrere Medikamente miteinander kombiniert. Zuerst waren es zwei Wirkstoffe, heute sind es drei. Denn das Problem war anfangs, dass die Wirkstoffe gegen das HI-Virus schnell unwirksam wurden. Die Viren bildeten Resistenzen. Durch die Kombinationstherapie sind Resistenzbildungen eher selten geworden.
Langzeitfolgen werden erforscht
Die erste Kombinationstherapie hat damals vielen Patienten das Leben gerettet. Allerdings litten sie noch oft unter Nebenwirkungen wie Übelkeit, massivem Durchfall, Blutarmut, Kopfschmerzen und Angststörungen. Die heutigen Therapien sind besser verträglich. Es gibt sechs Wirkstoffklassen mit 36 Wirkstoffen die miteinander kombiniert und auf den Patienten zugeschnitten werden können. Heute können HIV-Positive bei frühzeitiger Erkennung der Infektion mit den Medikamenten ganz normal alt werden. Allerdings müssen sie diese ein Leben lang nehmen, um die Vermehrung der Viren dauerhaft zu blockieren. Das heißt, infiziert sich ein Patient mit Mitte 30 mit dem Virus, dann muss er nach heutigem Wissensstand voraussichtlich etwa 50 Jahre lang täglich Medikamente zu sich nehmen.
Welche Langzeitfolgen das hat, das untersucht an der Medizinischen Hochschule in Hannover die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Georg Behrens. Viele HIV-Infizierte, die bereits seit 20, oder fast 30 Jahren die hochaktive antiretrovirale Therapie nehmen, weisen einige Spätfolgen auf. Zum Beispiel ein hohes Herzinfarktrisiko, Magenbeschwerden und Osteoporose (Knochenschwund). Die Mediziner vermuten, dass sowohl die Medikamente als auch das Virus, das bei vielen seit Jahrzehnten im Körper ist, zu gleichen Teilen dafür verantwortlich sind.