Mit Fütterungsstörung wird eine Störung der Nahrungsaufnahme bei Säuglingen und Kleinkindern bezeichnet, die noch nicht selbstständig essen können. Fast jedes zweite Frühchen ist betroffen. Die Ursachen sind nicht endgültig geklärt und können im Einzelfall sehr vielschichtig sein. Ein auslösender Faktor könnten die künstliche Beatmung (Intubation) oder andere Eingriffe nach der Frühgeburt sein – zum Beispiel Absaugen, Festhalten, Sonden legen, Säubern des Mundes. Die Neugeborenen machen dabei traumatische Erfahrungen mit Gegenständen, die in ihren Mund eingeführt werden. Ihre Mundhöhle wird zur Tabuzone, die später weder Essbesteck noch Geschmacksreize toleriert.
Kinderärzte sprechen von einer Hypersensibilisierung im Mundraum. Aufgrund der Verweigerung müssen die Babys und Kleinkinder auch nach der Entlassung aus dem Krankenhaus mithilfe hochkalorischer Nahrung über die PEG-Sonde (in den Darm) oder den Broviac-Katheter (direkt ins Blut) künstlich ernährt werden, obwohl ihr Darm sich inzwischen entwickelt hat und bereits normale Nahrung verdauen könnte.
Teufelskreis aus Zwang und Druck
Den Eltern ist oft nicht klar, woher das Problem kommt. Wenn sie ihr Kind nach vielen Wochen in der Neonatologie endlich nach Hause holen, glauben sie, die Krisenzeit sei vorbei und alles werde gut. Stattdessen müssen sie plötzlich Angst haben, ihr Kind verhungert. Das wirkt sich verheerend auf die Eltern-Kind-Beziehung aus. Alles dreht sich zwanghaft nur noch ums Essen.
Beispielsweise ist es falsch, das Kind mit Spielzeug zu locken oder ständig auf es einzureden, so dass es nur zuhört anstatt zu essen. Das Kind spürt den Druck, der von den gestressten Eltern ausgeht und wehrt sich durch konsequente Verweigerung – ein gefährlicher Teufelskreis wird in Gang gesetzt.
Therapie kann helfen
Um die problematische Nahrungsaufnahme des Kindes in den Griff zu bekommen, werden in der Helios Klinik Geesthacht (nahe Hamburg) Patienten und Eltern stationär vor Ort von einem speziell geschulten Team aus Psychologen, Logopäden, Ärzten und Pflegekräften betreut. Organische Probleme wie Schluckstörungen werden dabei ebenso gezielt untersucht und behandelt wie die psychologische Situation.
Anhand von Videoaufnahmen, die noch zu Hause vor Beginn der Therapie gemacht wurden, lernen die Eltern sich selbst und ihr Verhalten zu analysieren. In Gruppengesprächen können sie sich untereinander austauschen und über ihre Schuldgefühle und Versagensängste sprechen. Mithilfe der Therapeuten wird in Gruppen- und Einzelsitzungen eine spielerische Atmosphäre geschaffen, in der Eltern und Kind lernen sollen, Freude am Essen zu entwickeln.
Fazit
Meist schaffen die Kinder den Sprung zum normalen Essen innerhalb der ersten Lebensjahre. In besonders schweren Fällen muss jedoch die künstliche Ernährung auch im fortgeschrittenen Alter beibehalten werden. Bei Kindern ab circa fünf Jahren spricht man dann bereits von einer Essstörung. Für alle Beteiligten ist dies eine große Belastung, denn ein normales Leben mit Schule und Freunden ist kaum möglich.