Eigentlich wissen die meisten von uns, worauf es bei einer gesunden Ernährung ankommt: viel Gemüse und Obst, Vollkorngetreide, gute Fette und wenig verarbeitete Lebensmittel und Zucker. Eine offizielle Orientierungshilfe sind die zehn Regeln der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, die gerade an aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse angepasst wurden. Das neu gegründete Bundeszentrum für Ernährung versucht mit Aufklärungsmaterial die Ideal-Ernährung an Behörden und Bürger weiter zu geben, viele kennen die Ernährungspyramiden die zeigen, wie viel von was gegessen werden sollte.
„Ernährungsempfehlungen sind eine Orientierungshilfe für Menschen, die wissen wollen, was und wie viel sie wovon essen sollen; wobei die Menschen natürlich sehr unterschiedlich essen und jeder das Beste für sich zusammenstellen muss“, so die Leiterin des Bundeszentrums für Ernährung Dr. Margaretha Büning-Fesel. Diese offiziellen Empfehlungen bieten auch eine gewisse Orientierung – denn gerade im Bereich der Ernährung gibt es eine Unmenge an Informationen, die teilweise widersprüchlich sind.
Welche Informationen stimmen?
Dass Gemüse gesund, Selbstkochen dem Erwärmen industrieller Fertiggerichte vorzuziehen und ein Apfel gesünder als ein Schokoriegel ist, wissen die meisten. Dennoch schaffen es die wenigsten ihr Ernährungsverhalten dauerhaft an die gängigen Empfehlungen anzupassen: Zwei Drittel der Männer und mehr als die Hälfte der Frauen sind übergewichtig, aktuellen Zahlen zufolge gilt jeder vierte Deutsche als adipös. Starkes Übergewicht kann Verursacher vieler Krankheiten sein, wie etwa Diabetes Typ zwei oder Bluthochdruck. Falsche Ernährung kann auch das Entstehen mancher Krebsarten begünstigen.
„Was wir festgestellt haben ist, dass Menschen im Großen und Ganzen schon wissen, was zu einer gesunden Ernährung dazu gehört. Das Schwierige ist dabei ist aber, wie man vom Wissen zum Handeln kommt: Hilft uns unsere Umgebung auch dabei, diese gesundheitsfördernde Ernährung umzusetzen? Habe ich in Kantinen ein reichhaltiges Angebot an Obst und Gemüse? Habe ich in Schulen und Kitas ein Angebot, das diesen Empfehlungen entspricht? Das heißt, mein Umfeld muss es mir ermöglichen so zu essen, wie ich es gerne möchte“, so Dr. Margaretha Büning-Fesel.
Wie entscheiden wir, was wir essen?
Doch selbst wenn das Angebot da ist, greifen viele zur ungesünderen Variante. Der Ernährungspsychologe Dr. Thomas Ellrott kennt den Grund: „Wie wir zwei Gehirnhälften haben, haben wir auch zwei unterschiedliche Entscheidungssysteme. Das erste ist intuitiv, das zweite ist durch Abwägen und Überlegen gekennzeichnet. Das wiederum kann nur zum Einsatz kommen, wenn es genug Kapazität hat, wenn es also nicht von äußeren Stressfaktoren und anderen Entscheidungsprozessen abgelenkt ist. Da das aber meist der Fall ist, kommt bei Ernährungsfragen das erste Entscheidungssystem zum Einsatz.“ Und „intuitiv“ hat evolutionsbiologisch immer was mit „Überleben“ zu tun.
Deshalb greifen wir dann primär zu Lebensmitteln, die eine hohe Energiedichte haben statt zu den leichten, die viel Wasser enthalten, wie Salat und Gemüse. „Bei süßen und fetthaltigen Nahrungsangeboten werden wir dann schwach, wir sind biologisch auf möglichst viele Kalorien konditioniert.“ Die Vorliebe für Süßes erklärt der Wissenschaftler auch mit der Tatsache, dass schon Babys durch die Muttermilch an den süßen Geschmack gewöhnt seien. Rein evolutionsbiologisch gesehen hätten Menschen gelernt, dass süß nicht-giftig bedeute.
Wie können wir etwas ändern?
Heißt das, wir können nichts an unserem Essverhalten ändern? „Doch“, so der Experte: „Die Entscheidungsprozesse müssen vom ersten ins zweite Entscheidungssystem, also einmal vom Bauch durch den Kopf.“ Am besten gelingt das, wenn wir uns aufschreiben, was wir gegessen haben. Allein das Bewusstmachen führt zu einem anderen Verhalten. Außerdem wäre es hilfreich, sich Zeit zu nehmen. Sowohl fürs Essen als auch schon für die Frage, was man essen möchte.
Natürlich muss sich auch am Angebot etwas ändern. Nahrungsmittel für unterwegs werden bereits gesünder, sind aber verhältnismäßig teurer. Hier könnte tatsächlich eine andere Besteuerung nützlich sein. Ob ein verstärktes staatliches Steuern des Nahrungsangebotes sinnvoll ist, kann man aufgrund fehlender Studien schlecht einschätzen. „Die Gefahr ist auch, dass Verbraucher Dinge mit anderen Dingen kompensieren. Werden beispielsweise Softdrinks teurer, greifen sie möglicherweise zu Säften. Und die haben genau so viel Zucker“, merkt Dr. Thomas Ellrott an. Jeder einzelne muss also anfangen, sein eigenes Ernährungsverhalten gut zu hinterfragen.