Der Begriff Einkammerherz steht für eine Vielzahl angeborener, schwerer Herzfehler. Sie haben gemeinsam, dass statt zwei Herzkammern nur eine vorhanden oder funktionsfähig ist. Der schwerste dieser Herzfehler ist das sogenannte hypoplastische Linksherzsyndrom (abgekürzt HLHS), bei dem die linke Herzkammer unterentwickelt ist. Diese versorgt normalerweise den Körper mit Blut, während die rechte für die Lunge zuständig ist. Funktioniert die linke Herzkammer nicht, ist alleine die rechte Herzhälfte des Babys für die Durchblutung von Körper und Lunge zuständig. Weil eine Herzhälfte alleine das oft nicht schafft, führt dieser Herzfehler unbehandelt meist direkt nach der Geburt zum Tod.
Diagnose
Die Diagnose des Herzfehlers ist bereits durch eine vorgeburtliche Ultraschalluntersuchung möglich. Allerdings wird er oft erst nach der Geburt erkannt, weil die Säuglinge in der Gebärmutter über den mütterlichen Blutkreislauf mit Sauerstoff versorgt werden. In der Gebärmutter arbeitet die Lunge noch nicht, weil das Baby sonst beim Atmen im Fruchtwasser ertrinken würde.
Damit das Blut nicht den Weg durch die Lunge nehmen muss, gibt es eine raffinierte Kurzschlussverbindung zwischen der Hauptschlagader und der Lungenarterie, den sogenannten „Ductus arteriosus Botalli“. Der sorgt dafür, dass möglichst viel Blut direkt in den Körperkreislauf des Babys gelangt. Diese Gefäßverbindung verschließt sich nach der Geburt innerhalb der ersten Lebensstunden bis zum etwa dritten Lebenstag. Weil der Körperkreislauf des Kindes mit HLHS dann kaum noch Blut und Sauerstoff bekommt, stirbt es innerhalb kurzer Zeit, wenn der Herzfehler nicht erkannt wird.
Symptome und Therapie
Die Haut des Kindes mit einem hypoplastischen Linksherzsyndrom verfärbt sich meist bläulich oder wird sehr blass und es atmet angestrengt. Bei der Untersuchung fallen dann ein sehr schneller Herzschlag und schwacher Puls auf. Die genaue Diagnose erfolgt per Ultraschall.
Säuglinge mit diesem Herzfehler bekommen sofort nach der Geburt das Medikament Prostaglandin per Infusion. Es sorgt dafür, dass der Ductus arteriosus offen gehalten und der Körperkreislauf weiter mit Blut versorgt wird. Weil die rechte Herzhälfte die Arbeit der fehlenden linken aber nicht auf Dauer leisten kann, bleibt als dauerhafte Lösung nur eine Herztransplantation oder ein dreistufiges Operationsverfahren.
Der erste Eingriff erfolgt wenige Tage nach der Geburt. Bei der sogenannten Norwood I-Operation werden die Lungen- und Körperschlagader zur Stabilisierung mit einem Röhrchen verbunden. So kann die rechte Herzkammer Blut in alle Organe pumpen. Weil der neue Kreislauf noch labil ist, müssen die Kinder anschließend bis zur nächsten OP engmaschig zu Hause kontrolliert werden.
Im Alter von drei bis fünf Monaten wird das Röhrchen zu klein. Dann folgt die zweite OP, bei der das Röhrchen, das die Lunge mit der Hauptschlagader verbindet, wieder herausgenommen wird. Die obere Hohlvene wird direkt an die Lungenschlagader angeschlossen, sodass das Blut aus der oberen Körperhälfte am Herzen vorbei direkt in die Lunge fließen kann. Die dritte Operation um das zweite bis vierte Lebensjahr herum - genannt Fontan-Operation - komplettiert den Eingriff. Dann wird auch das Blut, das aus der unteren Körperhälfte kommt, am Herzen vorbei direkt in die Lungenschlagader geleitet. Anschließend werden die Patienten medikamentös behandelt. In der Regel müssen sie Entwässerungstabletten, Blutverdünner sowie Blut- und Lungendrucksenker einnehmen.
Langzeitfolgen
15 Jahre nach der Fontan-Operation leben noch etwa 73 Prozent der Patienten. Wer vor seinem vierten Lebensjahr operiert wird, hat mit über 90 Prozent eine deutlich bessere Prognose. Etwa zehn bis dreißig Prozent aller Fontan-Patienten entwickeln Herzrhythmusstörungen. Außerdem kann die Leber chronisch gestaut sein. Manche Kinder leiden unter einer andauernden Durchfallerkrankung und damit verbunden unter Nährstoff- und Eiweißverlust. Daneben haben viele Kinder psychosoziale Probleme. Sie sind oft zart, hinken in der regulären körperlichen Entwicklung ein bis zwei Jahre hinterher und werden später eingeschult. Krankenhausaufenthalte führen oft dazu, dass eine Klasse wiederholt werden muss. Dadurch werden sie im Kindergarten- und Schulkindalter teils isoliert.
Oft haben Eltern nicht nur gegen die Krankheit, sondern auch mit Behörden, Ämtern und Versicherungen zu kämpfen, um die Ansprüche ihrer Kinder durchzusetzen. Sei es das Recht auf Eingliederungshilfen nach lange dauernden Krankenhausaufenthalten, die Erteilung von Hausunterricht, der Transport von und zur Schule oder später Hilfe für den Führerschein. Viele benötigen diverse Hilfsmittel, um einer Verschlimmerung der Krankheitsbilder entgegenzuwirken, damit sie am Leben teilhaben können. Zudem lässt sich die Pflege nur schwer oder gar nicht mit einer Berufstätigkeit vereinbaren, weil während der regelmäßigen, wochenlangen Reha- und Klinikaufenthalte die Anwesenheit einer elterlichen Begleitperson erforderlich ist. So kommen finanzielle Risiken für die Familien hinzu.