„Dieselgate“, drohende Fahrverbote, angebliche Kartellabsprachen: Die deutsche Automobilindustrie sorgte in jüngster Vergangenheit eher für Negativschlagzeilen. Lange Zeit wurde den deutschen Herstellern vorgeworfen, die E-Mobilität verschlafen zu haben. Nun wollen sie zur Aufholjagd ansetzen, so der Tenor der großen deutschen Hersteller auf der Internationalen Automobilmesse in Frankfurt (IAA).
Schleppende Entwicklung
Laut Verband der Automobilindustrie e.V. sind heute in Deutschland rund 30 Elektromodelle auf dem Markt. Das Problem ist nur: Kaum einer will sie kaufen. Im ersten Halbjahr 2017 wurden in Deutschland fast eine Million Benziner und 739.000 Dieselautos zugelassen – aber trotz staatlicher Kaufprämie gerade mal 10.200 E-Autos.
Als Hürden für die Kaufentscheidung gelten dabei immer die gleichen Problempunkte: Der hohe Preis, die geringe Reichweite und das Laden. Laut Bundesverband der Elektrizitätswirtschaft gibt es in Deutschland heute rund 7000 öffentliche Ladestationen. Um eine Million E-Autos aufladen zu können, wären aber 77.000 notwendig. Zum Vergleich: Der aktuelle Pkw-Bestand in Deutschland liegt bei knapp 46 Millionen.
Deutliche Verbesserungen
Dabei hat sich bei der Reichweite und den Ladezeiten der Akkus in den letzten Jahren einiges getan: „Über den Daumen gepeilt kommt man mit einer Akku-Ladung bei halber Ladezeit doppelt so weit wie noch vor sieben Jahren“, erklärt Automobil-Experte Lothar Becker. Auch bei der Situation der Ladestationen habe sich viel verändert. „Innerhalb der letzten zwei Jahre hat sich die Zahl der Ladepunkte annähernd verfünffacht“, so Becker.
Am Beispiel der Ladestationen zeige sich, was passiert, wenn Innovation auf alte Strukturen prallt – es fehle an Einheitlichkeit: „Jeder Anbieter hat sein eigenes Zahlkärtchen. Dieses hält man an die Säule. Abgerechnet wird dann über das Girokonto, die Kreditkarte oder das Kundenkonto des jeweiligen Anbieters.“ Zu den verschiedenen Ladepunkt-Anbietern kommen als weitere Möglichkeit die Stationen der E-Auto-Hersteller selbst hinzu. Darüber hinaus gehen einige Städte ganz andere Wege: „In Monheim zum Beispiel wurden Ladesäulen von der städtischen Sparkasse mit EC-Karten zum Bezahlen ausgestattet“, weiß der Experte. Er zeigt sich zuversichtlich, dass sich das Angebot in Zukunft vereinheitlicht und die Nutzung dadurch vereinfacht wird.
Das Strom tanken an sich ist dabei heute schon ganz einfach: Man muss nicht in oder am Auto bleiben, der Stecker ist in der Steckdose verriegelt. Man kann die Ladezeit also für andere Dinge nutzen. „Die meisten E-Autos geben übrigens per App über den Ladestand und die zu erwartende Restladezeit Bescheid“, so Lothar Becker. Wie lange eine Ladung dauert, hänge allerdings von der Ladesäule und dem Zusammenspiel von Ladesäule und Auto ab.
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Hoffnungsträger Wasserstofftechnologie
Seit Jahrzehnten liegen die Hoffnungen auf der Brennstoffzelle als umweltfreundlicher Antrieb der Zukunft. Allerdings gelang es erst in den letzten Jahren, die Technologie zur Serienreife zu bringen. Nun wollen Autoindustrie und Partner mehr als 1,4 Milliarden Euro in die Forschung und Entwicklung der Wasserstofftechnologie investieren, weitere 250 Millionen Euro sollen vom Staat kommen.
Ob eine Revolution an der Zapfsäule bevorsteht, ist aber fraglich. Lothar Becker: „Eine Zapfsäule für Wasserstoff ist technisch zehnmal aufwendiger und kostenintensiver als eine reguläre Treibstoff-Zapfsäule. Das Problem ist hier hauptsächlich die Sicherheit. Die Vorkehrungen müssen bei Wasserstoff größer sein als bei klassischem Sprit, da Wasserstoff um ein Vielfaches entzündlicher als Benzin ist.“ Ein Vorteil des Wasserstoffmotors seien hingegen die kurzen Tankzeiten, die jenen herkömmlicher Verbrennungsmotoren ähnlich seien.
Mit Material von ZDF und dpa