Was der Arzt für eine Behandlung in Rechnung stellt, ist den meisten Patienten egal, schließlich werden die Kosten ja von der Krankenkasse übernommen.
Einige Ärzte rechnen jedoch Leistungen ab, die sie nie erbracht haben: Da werden Wunden zugenäht, die in Wirklichkeit nur mit einem Pflaster versorgt wurden, oder es kommen teure Geräte zum Einsatz, während in Wirklichkeit nur eine Begutachtung mit bloßem Auge stattfand. Meist geschieht dies unbemerkt – der Arzt profitiert, den Schaden trägt die Versichertengemeinschaft.
Zwei Systemfehler
Betrug gebe es in jedem System, sagt Medizinjournalist Dr. Christoph Specht. Das grundlegende Problem sieht er in der Diskrepanz zwischen den Leistungen, die gesetzliche Krankenkassen im hausärztlichen Bereich, der sogenannten „sprechenden Medizin“, erbringen, und der privatärztlichen Leistungen. Diese werde von einigen Ärzten ausgenutzt, um fehlende Einnahmen bei den gesetzlich Versicherten zu kompensieren.
„Der zweite Fehler im System sind Fehlanreize, also Pauschalen im Quartal bei gesetzlich Versicherten“, sagt Dr. Christoph Specht. So bezahle die gesetzliche Krankenkasse im Fall der sprechenden Medizin ungefähr 30 Euro im Quartal pro Patient – egal wie oft der Patient kommt. „Deshalb werden dann zum Beispiel noch Labortests gemacht, obwohl diese medizinisch gar nicht nötig wären, damit sich der Besuch des Patienten lohnt.“ Auch bei privat Versicherten fände dieses Prinzip Anwendung.
Erhöhtes Kostenbewusstsein
Natürlich solle man zum Arzt gehen, wenn es notwendig ist, sagt Specht. Er appelliert jedoch an die Eigenverantwortung, die von den Patienten oftmals vergessen werde: „Gesetzlich Versicherte sollten ihr Bewusstsein dafür schärfen, dass bei einem Arztbesuch Kosten ausgelöst werden, die das System belasten“, gibt er zu bedenken. Patienten sollten öfter mal bei der Krankenkasse erfragen, welche Leistungen konkret abgerechnet wurden oder den Arzt direkt auf die Kosten ansprechen, die eine bestimmte Behandlung verursacht. „Als Privatpatient sollte man die Rechnung unbedingt prüfen“, rät der Medizinjournalist. Bei den meisten privaten Krankenversicherungen sei es möglich, etwa per App einen Rechnungs-Check vornehmen zu lassen.
Dass die Initiative, gegen Abrechnungsbetrug vorzugehen, auch von den Patienten ausgehen müsse, begründet Dr. Christoph Specht damit, dass weitere systemübergreifende Kontrollen zu aufwendig und zu teuer seien – zumal über die Kassenärztliche Vereinigung bereits Kontrollen stattfänden. „Die Kontrollen kann man eigentlich nicht weiter verschärfen. Das steht dann in keinem Verhältnis mehr zu den möglichen Einsparungen“, konkretisiert Specht. Außerdem sieht er durch ein erhöhtes Kostenbewusstsein hauptsächlich positive Effekte für die Patienten, denn dadurch schützten diese nicht nur sich selbst vor steigenden Krankenkassenbeiträgen, sondern auch die Gemeinschaft. „Fakt ist aber, dass das Interesse nicht besonders hoch ist.“