Viele Arbeitnehmer nutzen das Recht nicht oder wissen nicht, dass sie Anspruch auf Bildungsurlaub haben. In Nordrhein-Westfalen stehen dafür fünf Tage pro Jahr zur Verfügung, doch der Anspruch auf Bildungsurlaub ist je nach Bundesland unterschiedlich geregelt. Bundesländer, die entsprechende Gesetze verabschiedet haben, bieten Arbeitnehmern die Möglichkeit, sich von der Arbeit freistellen zu lassen, um sich beruflich oder politisch weiterzubilden – und weiterhin Gehalt zu bekommen.
„Dabei ist der Begriff ‚Bildungsurlaub‘ leicht irreführend“, sagt Norbert Wichmann, Bildungsexperte des DGB NRW. „Ich finde die Begrifflichkeit aus Baden-Württemberg zutreffender. Dort spricht man von ‚Bildungszeit‘. Es geht also um Weiterbildung und nicht um Urlaub oder Freizeit.“ Im Gegensatz zu Nordrhein-Westfalen tun sich Bundesländer wie Bayern und Sachsen nach wie vor mit einer Regelung beim Bildungsurlaub schwer. „In Nordrhein-Westfalen gibt es eine gute Tradition, Probleme im Konsens zu lösen. So geschehen auch bei der letzten Novellierung des Arbeitnehmerweiterbildungsgesetzes, wie das Gesetz zum Bildungsurlaub in Nordrhein-Westfalen heißt“, erklärt Wichmann.
Fünf Tage im Jahr
Die Dauer des Bildungsurlaubs beträgt in der Regel fünf Tage im Kalenderjahr für Vollzeitbeschäftigte. Der Anspruch von zwei Kalenderjahren kann beispielsweise in Nordrhein-Westfalen zusammengefasst werden. „Es gibt aber auch abweichende Regelungen, etwa im Saarland. Dort geht man von drei Tagen im Jahr aus. Aber auch hier gibt es Ausnahmen. Also, es ist alles sehr heterogen“, sagt Wichmann. Er rät für weitere Informationen, einen Blick ins Internet zu werfen. Auch Weiterbildungsanbieter stünden Interessenten beratend zur Seite.
In der Regel bezahlt der Arbeitnehmer die Schulungskosten selbst. Handelt es sich um eine berufliche Fortbildung, die vielleicht auch im Interesse des Betriebes liegt, kann es sich lohnen, beim Chef nachzufragen. Insbesondere berufliche Weiterbildungen können steuerlich abgesetzt werden. Wenn es öffentliche Zuschüsse gibt, weiß das in der Regel auch der Weiterbildungsanbieter. "In Nordrhein-Westfalen etwa gibt es den sogenannten Bildungsscheck. Hier müssen die Anspruchsvoraussetzungen geklärt werden. Ich finde einen gewissen Eigenbeitrag nicht verkehrt - dem Grundsatz zufolge, was nichts kostet, ist auch nichts wert“, so Wichmann.
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Schlechtes Gewissen, hoher Arbeitsdruck
Es gebe verschiedene Gründe, warum Bildungsurlaub nur so selten genommen werde. Norbert Wichmann: „Manchmal spielen die Chefs nicht mit. Recht haben und Recht bekommen sind zwei unterschiedliche Paar Schuhe. Viele Arbeitnehmer wissen auch gar nicht, dass sie einen Anspruch haben oder haben eine Schere im Kopf – ein schlechtes Gewissen gegenüber Kollegen. Und letztlich hat der Arbeitsdruck zugenommen“, resümiert der Experte die möglichen Probleme.
Für Wichmann ist Bildungsurlaub kein Luxus: „Wir stehen an der Schwelle zur sogenannten ‚Industrie 4.0‘. Sich kontinuierlich fortzubilden, wird eine Überlebensfrage werden.“ Damit meint Wichmann aber nicht nur die berufliche Qualifizierung: „Wir müssen uns auch mit den gesellschaftlichen Auswirkungen und den damit verbunden politischen und sozialen Fragen intensiv beschäftigen. Das ist zwar nicht neu, aber die Dynamik der Prozesse beschleunigt sich deutlich.“
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