Im aktuellen Fall hatte der Betreuer zwar die Beleidigungen ausgesprochen, Mieterin der beiden Wohnungen war jedoch die alte Dame, die ihrem Betreuer eine der beiden von ihr angemieteten Wohnungen zum Gebrauch überlassen hatte. „Nach dem Gesetz ist es so, dass ein Mieter sich, wenn er den Gebrauch der Wohnung einem Dritten überlässt, dessen Verschulden zurechnen lassen muss“, erläutert Sibylle Voßbeck, Fachanwältin für Mietrecht. Da der Betreuer schuldhaft handelte, muss nun die Mieterin für das Verhalten ihres Betreuers geradestehen.
Interessen abwägen
Um zu beurteilen, ob eine fristlose Kündigung berechtigt ist oder nicht, müssen nicht nur die Interessen beider Mietparteien abgewogen, sondern auch die gesamten Umstände des Einzelfalles berücksichtigt werden. „Dazu gehören auch schwerwiegende persönliche Härtegründe auf Seiten des Mieters, die die Mieterin in diesem Fall auch geltend gemacht hatte“, weiß die Fachanwältin für Mietrecht. Die Mieterin darf nun vorerst in ihrer Wohnung bleiben, weil sie auf den Betreuer in ihrer bisherigen häuslichen Umgebung angewiesen sei und bei einem Wechsel der Betreuungsperson oder einem Umzug schwerstwiegende Gesundheitsschäden zu befürchten seien. „Dies wird im Rahmen der erneuten Entscheidung, die das Landgericht München nun treffen muss, zu prüfen sein“, so Voßbeck.
„Beleidigungen gegenüber dem Vermieter, dem Hausverwalter oder auch gegenüber anderen Mietern des Hauses können grundsätzlich einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darstellen“, stellt die Fachanwältin klar. Im Einzelfall bedeute das, dass immer zu prüfen sei, ob eine formale Beleidigung dem Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses unzumutbar macht. Dabei seien die Begleitumstände der getätigten Äußerungen zu berücksichtigen: „Eine Beleidigung ist weniger schwerwiegend, wenn sie als Reaktion auf eine vorausgegangene Provokation erfolgt, im Zusammenhang mit einer streitigen Auseinandersetzung oder wenn es sich um einen einmaligen Vorfall, also eine Unbeherrschtheit, handelt“, ordnet Voßbeck ein.
-
-
Zug durch die Instanzen
Im aktuellen Fall wurde die Klage vom Amtsgericht zunächst abgewiesen, das Landgericht hat der Klage aber stattgegeben und nun hat der Bundesgerichtshof entschieden – Sibylle Voßbeck erläutert das Procedere:
„Die unterschiedlichen Ergebnisse der Vorinstanzen hängen damit zusammen, dass Gesetze anders angewandt oder ausgelegt worden sind. Im Wohnraummietrecht ist erstinstanzlich immer das Amtsgericht zuständig und als Berufungsinstanz das Landgericht. Darüber hinaus gibt es unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, dass die Urteile der Landgerichte dann noch einmal vom Bundesgerichtshof auf ihre Richtigkeit hin überprüft werden. Dieses Vorgehen dient dem Schutz der an einem Prozess beteiligten Parteien, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass Richter rechtlich nicht haltbare Urteile verkünden.“
Kein Einzelfall
Kündigungen aufgrund von Beleidigungen sind keine Einzelfälle – das weiß Voßbeck aus eigener Erfahrung: „Es gibt durchaus mehrere Fälle verbaler Entgleisungen, mit denen verschiedene Gerichte sich bereits befassen mussten. Es gab auch Fälle, wo der Mieter den Vermieter tätlich angegriffen oder mit einer Pistole bedroht hat. Diese Fälle sind auch umgekehrt denkbar. Ich hatte vor vielen Jahren einmal den Fall, dass ein Vermieter die Mieterin mit einer Heckenschere bedroht hatte.“