Grundsätzlich ist die Arbeitslosenquote von Menschen über 50 nicht höher als in anderen Gruppen. Wenn sie aber ihren Job verlieren, ist die Rückkehr ins Berufsleben schwerer als bei Jüngeren. „Viele berichten, dass sie um die einhundert Bewerbungen geschrieben haben und die Reaktionen darauf enttäuschend waren“, erzählt Bewerbungstrainerin Ursula Maria Beugel. Die Menschen fühlten sich überflüssig und die Existenzangst steige. Denn anders als bei jungen Menschen, haben Ältere oft finanzielle Verpflichtungen wie etwa das Abzahlen des Wohneigentums.
Schamgefühl und Konkurrenzdruck
„Das Gefühl, nach vielen erfolgreichen Berufsjahren plötzlich abgemeldet zu sein, löst bei den Bewerbern eine Kette negativer Folgen aus. Einige berichten, dass sie es als Makel empfinden. Sie schämen sich – manche geben auch vor ihren Freunden nicht zu, dass sie keine Arbeit mehr haben. Das Selbstbewusstsein als Voraussetzung für eine überzeugende Bewerbung und Darstellung im Vorstellungsgespräch geht in den Keller“, skizziert die Expertin.
Je nach Beruf und Branche gebe es große Unterschiede, was die Arbeitschancen von Älteren anbelangt. Beugel: „Im Handwerk wird man auch mit 60 wieder Fuß fassen können, wenn man nicht gerade Betonbauer ist und die körperliche Fitness entscheidend ist.“ In kaufmännischen Berufen sei es hingegen schwieriger. „Hier ist die Konkurrenz groß, und bei vielen Konkurrenten auf dem gleichen Stand gewinnt die oder der Jüngere“, so die Expertin weiter.
Ganzheitliches Bewerber-Profil erstellen
Für eine Bewerbung sei es zunächst wichtig, ein individuelles Profil zu erarbeiten. Welche Kompetenzen hat man im Berufsleben erworben? Was ist vorhanden an Fähigkeiten und Erfahrungen und wo wird das alles gebraucht? Was waren die Highlights im letzten Beruf? Welche Probleme hat man während der zurückliegenden Tätigkeit erfolgreich gelöst? „Viele sind darauf fixiert, genau den Job wiederzubekommen, den sie einmal hatten. Es hilft jedoch mehr, den Blick etwas zu weiten und zu gucken, wie das eigene Handwerkszeug eigentlich beschaffen ist und was davon sich auf andere Arbeitsbereiche übertragen lässt“, erklärt Ursula Maria Beugel.
Wer lange einer bestimmten Tätigkeit nachging, will wieder etwas Adäquates finden, sowohl im Hinblick auf die Aufgaben und Verantwortung im Job, als auch finanziell. „Das kann schwierig werden“, sagt die Trainerin und ergänzt: „Gut vernetzt zu sein und Kontakte zu haben, ist dann Gold wert.“ Es sei wichtig, die eigene Qualifikation und Arbeitsweise gut signalisieren und transportieren zu können. Man solle sich als Anbieter am Stellenmarkt verstehen und als Unternehmer in eigener Sache. „Dazu gehört auch die professionelle Bewerbung, die auf Stereotypen verzichtet und die Leute nicht langweilt. Auch wer eine hohe Qualifikation hat, sollte bereit sein, am Anfang Abstriche zu machen und seine Ansprüche herunterzuschrauben“, so Ursula Maria Beugel. Wichtig sei es, wieder Fuß zu fassen und sich dann weiterzuentwickeln.
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Ein Umdenken ist nötig
Letztendlich gehe es sowohl auf der Arbeitgeber- als auch auf der Arbeitnehmerseite um einen Bewusstseinswandel, um Arbeit neu zu denken und Modelle zu schaffen, die den Lebenssituationen der Menschen gerecht werden, sagt die Expertin. „Manchmal meine ich, dass uns die Zeiten der Vorruhestandregelung noch etwas nachhängen.“ Vor gut 30 Jahren seien Menschen in ihren Fünfzigern in den Vorruhestand geschickt worden, um die hohen Arbeitslosenzahlen zu senken. Vorurteile von damals hielten sich hartnäckig bis heute: Arbeitnehmer über 50 seien veränderungsresistent, risikoscheu und weniger offen für Neues.
Tatsache sei, dass es im Jahr 2030 etwa sechs Millionen Beschäftigte zu wenig geben werde, weil diese dann in Rente gegangen sind. „Volkswirtschaftlich können wir langfristig also auf die Ü50-Generation nicht verzichten“, so die Bewerbungstrainerin. Im Gegensatz zu kleineren Firmen und Betrieben hätten viele große Konzerne dieses Problem verstanden. „Es wäre höchste Zeit, den Hebel umzulegen und selbstverständlich altersgemischte Teams zu beschäftigen. Deren Produktivität ist sehr hoch und das Wissen bleibt ohne Verluste im Unternehmen“, sagt Ursula Maria Beugel.