Trotz Mietpreisbremse steigen vor allem in den Städten die Mieten und an Eigentum ist für viele gar nicht zu denken. An vielen Orten kann die Politik ihren Einfluss nicht mehr geltend machen – deshalb nehmen jetzt immer mehr Bürger das Wohnungsproblem selbst in die Hand.
Als Gemeinschaft Eigentümer werden
In Berlin beispielsweise hat man sich jahrelang darauf verlassen, dass Angebot und Nachfrage den Wohnungsmarkt von alleine regeln. Wie sich herausstellte, war dies ein Fehler, denn in Berlin gibt es so gut wie keine günstigen Wohnungen mehr. Doch jetzt wächst eine Bewegung, Häuser dem Spekulationsmarkt zu entziehen; die Bürger nehmen ihr Schicksal selbst in die Hand.
Eine Möglichkeit ist es, als Mietergemeinschaft ein zum Verkauf stehendes Haus selbst zu kaufen. So unterstützt zum Beispiel das Miethäusersyndikat in Berlin solche Vorhaben. Die Initiative will verhindern, dass mit Häusern spekuliert wird. Sie stellt zum Beispiel Anschub-Kredite zur Verfügung. Mit den Mieten zahlen die Mieter dann die Kredite zurück, das Haus bleibt Eigentum der Mietergemeinschaft.
„Staat muss regulatorisch eingreifen“
Eine grundlegende Ursache des Wohnungsmangels sei die Tatsache, dass Boden generell an den Höchstbietenden verkauft werde, sagt Architekt und Stadtplaner Prof. Joachim Schultz-Granberg. „Dem Problem mit einer liberalen Politik zu begegnen, also sich auf die Selbstregulation des Marktes zu verlassen, funktioniert nicht, der Staat muss regulatorisch eingreifen, indem er etwa die Mietpreisbremse verschärft oder Einteignungsinstrumente für leerstehende Häuser oder Grundstücke einsetzt“, fordert er.
Wo diese Mechanismen nur unzureichend greifen, spitze sich die Lage am Wohnungsmarkt unweigerlich zu. So habe man in vielen Städten Deutschlands selbst als Akademiker mit geregeltem Einkommen ohne eine Erbschaft keine Chance, eine Wohnung in der Innenstadt zu kaufen, gibt Schultz-Granberg zu bedenken. „Außerdem ist es so, dass Städte wie Berlin kaum noch über eigenen Grund verfügen. Es gibt Städte wie etwa Tübingen, da passiert viel. Aber im Prinzip muss politisch etwas passieren, der Staat muss die Steuerüberschüsse ins geförderte Wohnen stecken. Auch Mieter und Bürger müssen mehr Initiative zeigen, Missstände müssen angemahnt werden“, fordert der Experte.
Neue Konzepte
In Zürich, einer der teuersten Städte der Welt, hat die Stadt selbst etwas gegen die hohen Mieten unternommen und damit auch ein Wohnmodell für die Zukunft geschaffen: Das Hunziker Areal ist ein zukunftsweisendes Projekt. Anstatt ein ehemaliges Fabrikgelände an den Höchstbietenden zu verkaufen, beauftragte die Stadt Zürich eine Genossenschaft damit, ein Viertel mit günstigen Wohnungen zu bauen. Im Hunziker Areal startete ein Experiment mit einer neuen Form des Wohnens: Die Menschen sollen sich begegnen, indem sie Gemeinschafts- oder Arbeitsräume teilen.
Das Konzept sieht vor, dass die eigene Wohnung etwas kleiner gehalten ist und stattdessen die Gemeinschaftsflächen mit anderen Bewohnern geteilt werden. So hat man am Ende viel mehr Wohnraum zur Verfügung als üblich. Engagement und Selbstbestimmung bilden das Rückgrat dieses Wohnmodells. Die gut 1500 Mieter sollen sich selbst organisieren. Das Gemüse aus dem Gemeinschaftsgarten zum Beispiel kann mit einem Gemüseabo von jedem genutzt werden.
Es gibt auch Großraumwohnungen, in denen die Idee von Gemeinschaft sogar noch weiter getrieben wird. Auf 460 Quadratmetern befinden sich zehn abgeschlossene Apartments mit schalldichter Wohnungstür, eigenem Bad und kleiner Kochzeile. Andere Räume wie die Küche, der Essbereich, das Wohn- oder Arbeitszimmer werden von allen genutzt; eine Mischung aus WG und Wohnen mit Privatsphäre. Dementsprechend verringert sich auch die Miete. Auch ältere Menschen interessieren sich für die Wohnungen. Im Haus gibt es bereits die erste Senioren-WG. „Mit dem Hunziker Areal ist eine Stadt in der Stadt entstanden, es gibt darin unterschiedliche Wohnformen – mit Sicherheit ein Beispiel, das Schule machen wird“, sagt Schultz-Granberg.