Wir haben in diesem Jahr bereits drei Preisanpassung von unserem Stromanbieter bekommen. Alleine zwei, seit Krieg in Europa ausgebrochen ist. Der Krieg ist eine humanitäre Katastrophe und eine Zeitenwende für unsere Energieversorgung. Menschlich und emotional sind diese zwei Aspekte manchmal nur schwer zusammen zu bekommen. Die Frage nach unserer Energieversorgung ist dabei aber weder nur politisch, noch nur eine für unser Portemonnaie, sondern vor allem eine sicherheitsrelevante Frage danach, wie wir unsere Zukunft heute gestalten können.
Wie kann das praktisch gehen? Diese Frage sorgte neulich bei einer Familienfeier für angeregte Diskussionen. Meine Tante hat sich erst kürzlich zwei Solar-Panele auf dem Balkon installiert. Stecker in die Steckdose und zack, jetzt wird mindestens der Stromverbrauch des Kühlschranks durch die Sonne gedeckt.
Solche oder ähnliche Geschichten gehören aktuell zu jedem guten Smalltalk. Die Frage, wie wir zukünftig unser Leben unabhängig von Öl- und Gaslieferungen gestaltet können stellen sich die Industrie und die große Politik genauso wie die Mieter:innen in der Großstadt oder die Häuslebauer auf dem Land. Und Energieexperten, Ingenieure und Handwerker sind gefragter denn je.
Manches lässt sich im Kleinen machen. Ich habe mein Leben lang zur Miete gewohnt. Immer in Stadtwohnungen, selten im Neubau. Einen Einfluss auf meine Wärmeversorgung hatte ich somit nie. Nur beim Strom habe ich während meines Studiums alle meine WGs zum Naturstrom gebracht – aus Überzeugung so den Ausbau erneuerbarer Energien zu unterstützen und aus Kostengründen: niedriger Basispreis, höherer Verbrauchspreis pro Kilowattstunde und damit, durch den Verbrauch, immer Einfluss auf die Kosten – so die Idee für arme Student:innen. Heute lebe ich in einem Altbau mit 3,50 Meter Deckenhöhe in Berlin. Hohe Heizkosten sind da vorprogrammiert, die Wohnung ein energetischer Super-GAU. Beim Naturstrom sind wir immer noch. Die Idee von damals hat sich über die letzten 15 Jahre bewährt. Energie sparen, wo es geht.
Aber die Frage nach klimafreundlicher und unabhängiger Energieversorgung im Großen hört beim Wohnen eben gerade nicht auf, sondern fängt hier erst an. Gut ein Viertel unseres Energieverbrauchs entfällt zwar auf private Haushalte. Fast genauso viel aber zum Beispiel auch auf den Verkehr. Und noch einmal so viel auf die Industrie.
Es ist also noch viel zu tun um Deutschland flächendeckend unabhängig zu machen. Aber die Recherche zu diesem Film hat mir persönlich Mut gemacht: die Technologien sind da. Die Ideen für die Umsetzung auch. Es geht um viele individuelle Lösungen, für die grundlegend der Weg geebnet werden muss.
Zum Beispiel durch den Ausbau von Windkraftanlagen und Photovoltaik, wie es die Bundesregierung bis 2030 plant. Denn dann werden auch innovative Konzepte wie Wasserstoff grün und vor allem bezahlbar. Diese Vision hat Prof. Dr. Norbert Fisch im Klimaquartier Esslingen bereits umgesetzt. Und es funktioniert, auch für die Mieter:innen. Mit dem Kamerateam durften wir hier sogar Bewohner:innen des Quartiers Zuhause besuchen. Jürgen und Hanne Kretschmer stecken mit ihrer Begeisterung für das Wohnen der Zukunft regelrecht an.
Aber nichts geht ohne Fachkräfte, die eben diese Konzepte auch in die Tat umsetzen. Laut Studien fehlen bis 2030 in Deutschland etwa 3 Millionen Fachkräfte. Alleine im Handwerk beläuft sich diese Lücke schon jetzt auf 65.000 fehlende Fachkräfte. Manche sorgen sich, dass die Ziele der Bundesregierung deshalb nicht einzuhalten sind. Die 25-jährige Madita Brauer ist in ihrer Branche der Heizungs- und Anlagentechnik schon lange darum bemüht zu zeigen, wie attraktiv ihr Beruf ist. Sie und ihre Kollegen wissen, dass die kommenden Jahre ein echter Kraftakt werden und sind gut vorbereitet. Mithilfe von Energieberater Franz-Josef Schoofs leisten sie zudem enorme Aufklärungsarbeit, passende und rentable Lösungen anzubieten.
Dass es klappen kann, wenn alle zusammenwirken, zeigt die dänische Insel Samsø eindrucksvoll. Energieautarkie ist hier kein Hexenwerk mehr, sondern wirtschaftlicher Erfolg für alle.
von Jelena Altenberg