2018 brannte es vor den Toren Berlins. Ich erinnere mich noch gut, wie die verkohlten Baumstämme noch Monate später von der Autobahn aus sichtbar waren. Trockenheit, Waldbrände, Starkregen, Flutkatastrophen richten überall auf der Welt verehrende Schäden an, auch bei uns. Alle wissen: Wollen wir der Klima-Krise etwas entgegensetzen, müssen die Treibhausgase runter. Und da spielt CO2 die Schlüsselrolle.
Wie bereits vorhandenes CO2 dauerhaft gespeichert, verwertet und wieder in Kreisläufe eingebracht werden kann, darüber wollte ich mehr erfahren. Und so begann die Recherche zu diesem Film. Denn alle CO2-Emissionen werden sich nicht vermeiden lassen. Und so müssen neue Lösungen her. Zugegeben, das klingt erstmal nach einem rein technischen Thema. Die Herausforderung war, wie bei jeder plan b Recherche, spannende Entwicklungen und die Pionierinnen und Pioniere zu finden, die an relevanten und übertragbaren Strategien arbeiten.
Dabei hat mich unter anderem die Frage beschäftigt, ob und wie die Industrie - mit der Energiewirtschaft hauptverantwortlich für schädliche CO2-Emissionen - vom Verursacher zum Teil der Problemlösung werden kann.
So bin ich auf Vorreiter:innen gestoßen, die den Blickwinkel auf den berüchtigten „Klima-Killer“ verändern: „Carbon Capture and Utilization“ lautet der Fachbegriff, das bedeutet CO2 einfangen und den Kohlenstoff daraus verwenden - selten auch „Carbon Capture and Recycling“ genannt. Der Clou ist, in CO2 einen Rohstoff zu sehen und ihn im Sinne einer Kreislaufwirtschaft innerhalb von Industrieprozessen nutzbar zu machen. Tatsächlich ist diese Idee nicht primär aus Klimaschutzgründen entstanden. Diese Forschung kam in dem Bewusstsein in Gang, dass fossile Rohstoffe endlich und Alternativen zukünftig immer wichtiger sind. Warum also nicht CO2 verwenden, um erdölbasierte Bausteine zu ersetzen? Ein klimaschädliches Abgas wird so zu einem wertvollen Rohstoff! Und dieses CO2 muss noch nicht mal aus der Luft gefiltert werden, sondern wird gleich von Industrien abgeführt.
Kunststoff aus CO2
Genau an dieser Idee arbeitet die Chemikerin Liv Adler beim Werkstoffhersteller Covestro. Dazu entwickelten Kolleg:innen einen Basis-Kunststoff, der bislang 20% CO2 enthält. Zusammen mit dem Institut für Textiltechnik an der RWTH Aachen wird daraus ein synthetisches Garn, durchsichtig mit elastischen Eigenschaften. Dieses Garn wird derzeit an Socken erprobt. Ein spannender, aber auch langwieriger Prozess, den wir mit der Kamera begleiten durften. Und so ist vorstellbar, dass CO2 direkt aus der Industrie abgeführt in Zukunft tatsächlich in der Socke landet statt in der Atmosphäre.
Revolution bei der Lebensmittelherstellung?
Noch futuristischer erscheint die Verwendung von CO2 im finnischen Startup „Solarfoods“. Hier wird CO2 direkt aus der Luft gefiltert und an Mikroorganismen „verfüttert“. Ähnlich wie beim Bierbrauen vermehrt sich die Kultur. Am Ende entsteht ein Pulver, das vergleichbare Nährwerte wie Sojamehl hat. 2 Kilo CO2 braucht es für 1 Kilo Basisnahrung. Eine revolutionäre Idee, die dazu beitragen könnte, den Klimawandel auszubremsen. Und eine völlig neue Art der Lebensmittel-Produktion, die weltweit einsetzbar wäre. Die Pilotanlage befindet sich hinter verschlossenen Türen vor den Toren Helsinkis. Aber der Startup-Unternehmer Pasi Vainikka hat sich viel vorgenommen. Er will CO2 so nutzen, wie es Pflanzen und Bäume tun: das Gas in essbare Biomassen verwandeln.
Die Natur macht es vor
Obwohl Moore tatsächlich nur 3% der Landoberfläche bedecken, speichern sie mehr CO2 als alle Wälder weltweit. Vielerorts werden sie deshalb renaturiert. Wenn die Speicherung im Moor aber derart gut funktioniert, warum nicht auch in der Stadt auf dem Dach? Sie sorgen nicht nur für mehr Grün und Abkühlung, sondern sind auch die besten CO2 Speicher. Technisch ausgeklügelte Dachkonstruktionen machen es möglich
Den Großteil an CO2 absorbiert allerdings das Meer. Aber auch hier ist das Gleichgewicht gestört. Deshalb geht Meeresfarmer Sylvain Huchette in der Bretagne neue Wege. Eigentlich züchtet er Abalone, eine Meeresschnecke mit perlmuttreicher Schale. Doch mittlerweile integriert er auch Algen in seine Zucht, sie sind das natürliche Futter für seine Schnecken und wahre CO2 Speicher-Wunder. Weitere Spezies sollen folgen, Spezies, die sich ergänzen und im Gleichgewicht sind, nachwachsende, nachhaltige Rohstoffe. Eine Art Permakultur unter Wasser. Denn Sylvain Huchette ist nicht nur Meeresfarmer, sondern auch Meeresbiologe und gut vernetzt. Sein Ziel ist es, dass viele kleine Züchter es ihm nachmachen. Denn neben allen Innovationen aus Wissenschaft und Technik sind der Schutz und Ausbau von natürlichen CO2-Speichern und ein nachhaltiger Umgang mit der Natur als komplexe ökologische Systeme Voraussetzung und Schlüssel für positive Veränderungen in der Klimakrise.