Ein Film über Lärm? „Das wird nicht einfach werden“, sagt der Redakteur. „Wie willst Du denn Ton in Bildern darstellen?“, fragen Kollegen. Eine spannende Aufgabe ohne jeden Zweifel.
Laute Laster finden, auch startende Flugzeuge und ratternde Güterzüge, das war leicht. Gibt’s ja schließlich an jeder Ecke. Den dazugehörigen Lärm ebenso. Aber welche innovativen Lösungen sind vorhanden, den Lärm zu reduzieren? - das war die Frage. Gerade mit Blick auf die Tatsache, dass Lärm Stress erzeugt und krank macht.
Wir stoßen auf den Akustik-Experte Christian Popp aus Hamburg. Schnell wird klar, er ist nicht nur bestens vernetzt, sondern auch super kompetent in Sachen Lärmreduktion. Mit ihm gehen wir zu verschiedenen Hauptverkehrsstraßen. „Keiner kann hier richtig schlafen oder das Fenster auf Kipp stellen“, stellt er fest. Wir lernen, dass in Dezibel gemessen wird, dass es Grenzwerte gibt - 65 dB am Tage und 55 dB in der Nacht und dass sie jeden Tag permanent überschritten werden. Um diesen Straßenlärm zu verringern, gibt es eine ganze Reihe Möglichkeiten, erklärt Christian Popp. Er stellt uns sogenannte „bewohnte Querriegel“ vor, Hausriegel, mit denen Lücken zwischen Häusern geschlossen werden und zwar so, dass die dahinterliegenden Gärten wie gedämmt wirken. „Kleine Naturparadiese entstehen hier“, erklärt unser Experte. Außerdem werden mit solchen Querriegeln zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: weniger Lärm im Wohnblock und zugleich mehr dringend benötigter Wohnraum. Eine verblüffend einfache Idee: Küche, Bad und Abstellräume werden zur Straße ausgerichtet, die Wohn- und Schlafräume dagegen zu den lärmberuhigten Gärten. Cleveres Konzept! Und es wirkt. Eine echt konstruktive Lösung.
Nicht so gut wirken bisher die Maßnahmen, Schienenlärm zu mindern. Dazu besuchen wir das vermeintlich so idyllische Mittelrheintal. Das mit der Idylle hat sich schnell geklärt. In Boppard treffen wir Anwohner, die direkt an den vielbefahrenen Gleisen wohnen und ihr Haus wieder mal mit noch mehr Schallschutz dämmen. Jedes Mal, wenn ein Zug vorbei donnert, müssen wir das Interview unterbrechen. Und es rattern viele Güter- und Personenzüge vorbei - jeden Tag bis zu 400. Das nervt. Nicht nur, weil die Gläser im Schrank klirren. Auch an tiefen Schlaf ist nicht zu denken, klagen unsere Gesprächspartner. „Ein Höllenlärm!“, sagen sie. Die Situation ist unerträglich.
Wir fragen nach bei der Deutsche Bahn. Sie hat in den vergangenen 20 Jahren viel Geld für die sogenannte „Flüsterbremse“ ausgegeben. 220 Millionen Euro wurde in die Umrüstung der Bremssysteme investiert. Sehr beachtlich, denken wir. Und tatsächlich ist die Wirkung eindrucksvoll, wie uns das Fraunhofer-Institut bei unserem Besuch in Berlin demonstriert. Dort haben Experten mit viel High-Tech die Wirkung der Flüsterbremse simuliert. Alles gut also?
Nein, sagen die Anwohner im Mittelrheintal: „Flüstern geht anders“. Auch wir hören, dass es noch immer viel zu laut ist. Weitere Anstrengungen sind dringend erforderlich. Wir ahnen, das wird schwierig.
Über Christian Popp, den Akustik-Experten, bekommen wir Kontakt in die Schweiz. Dort sind die Eisenbahner offenbar schon ein ganzes Stück weiter. Hier werden Bremsen getestet, die hörbar weniger Lärm machen und am Schienenrad der Zukunft wird auch schon geforscht. Die Forschung wird noch Jahre brauchen, aber immerhin: es gibt Aussicht auf leisere Güterzüge. Ein Generationenprojekt.
Und dann stoßen wir auf Marc von Elling und Lukas Henkel, zwei junge Start-up-Gründer, die sich noch als Studenten mit ihrer Firma „recalm“ selbständig gemacht haben. Ihnen geht es darum, mit Antischall Lärm zu reduzieren und zwar speziell für Fahrerkabinen von Baggern. Wie das geht, demonstrieren sie uns in ihrem Labor. Ein lauter, nerviger Brummton beendet jedes Gespräch, dann wird ein Schalter umgelegt und auf einmal ist das tiefe Brummen weg. Erstaunlich, Wunder der Technik! Später laden sie uns auf ein Testgelände bei Frankfurt ein. Dort checkt ein Baggerfahrer das neue System. Nun wird es spannend, ob sich die Klangunterschiede auch aufnehmen lassen.
Dazu arbeiten wir mit unseren kleinen Anstecker-Mikrofonen. Unser Tonmann hält sie so in den lärmreduzierten Raum neben dem Fahrerohr, dass wir die Wirkung hören können. Ganz schön kniffelig, aber schließlich hat er die richtige Position gefunden. Wir sind überzeugt. 50 Prozent weniger Krach.
Noch abenteuerlicher wird es beim Thema Fluglärm. Flugzeuge machen bekanntlich sehr viel Krach. Umso mehr horchen wir auf, als wir erfahren, dass Forscher*innen den geräuschlosen Flug der Uhus beobachten. Denn die sollen überhaupt keinen Krach beim Fliegen machen. Ein Vorbild für die Flugzeugbauer? Das wollen wir sehen. Wir reisen zum Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrttechnik (DLR) nach Braunschweig. Dort treffen wir die Spezialist*innen auf einem Feld. Auch der Falkner ist schon da mit seinem Uhu Otto.
Otto ist ein Jungvogel, der offenbar noch nicht so genau weiß, was von ihm erwartet wird. Denn kaum, dass er frei auf seinem Startblock sitzt, fliegt er auf und davon und bleibt auf einen hohen Baum in der Nähe sitzen. Der Falkner lockt und pfeift, wertvolle Drehzeit vergeht, doch Otto genießt seinen Ausblick. Es dauert bis Otto sich wieder auf die Hand des Falkners setzt. Schließlich haben wir doch noch Glück! Zwei, drei Mal fliegt Otto und ist dabei tatsächlich völlig geräuschlos unterwegs. Einfach nicht zu hören, der große Vogel. Der lautlose Flug ist möglich! Auch die Forscher sind beeindruckt. „Offenbar sind die speziell geformten Federn der Eule und der Flaum auf der Unterseite der Flügel ausschlaggebend für den lautlosen Flug“, sagen sie. Im Windkanal experimentieren die Forscher*innen später mit Bürsten, die an die Flügelkanten angeklebt werden und so den Fluglärm mindern sollen. Forschung für das Flugzeug der Zukunft.
Wir sind neun Tage durch ganz Deutschland, die Schweiz und Italien gereist, haben viele interessante Menschen getroffen, die sich dem Ziel verschrieben haben, Krach in allen seinen Erscheinungsformen zu mindern. Wir haben Lösungen gedreht und Forschungsansätze verstanden. Es wird noch einige Zeit brauchen, bis sie im Alltag angewendet werden. Aber klar ist, dass es viele gute Ideen gibt, unsere Welt leiser zu machen.
von Veit Bentlage