Religiöse Feste wie Ostern sind Jahrtausende alte Traditionen, die wir gerne feiern und an denen wir festhalten wollen. Doch die Bedingungen unserer Gegenwart stellen uns vor die Herausforderung, unsere Gewohnheiten und Gebräuche zu überdenken.
Eine Gesellschaft, die sich bewusst mit den Themen Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit auseinandersetzt, möchte auch die Feiertage mit gutem Gewissen genießen können.
Unsere Recherche haben wir mit einem typischen Ostersymbol begonnen: dem Ei, Inbegriff des Lebens. Dabei sind wir auf beeindruckende Informationen gestoßen. Der durchschnittliche Eierverbrauch der Deutschen liegt bei vier in der Woche, zu Ostern steigt diese Zahl auf sieben. Es werden also fast 250 Millionen Eier mehr verzehrt, zumeist von Hühnern in Massentierhaltung. Damit wurde das Thema ökologische Eier aus artgerechter Tierhaltung relevant für uns. In diesem Zusammenhang sind wir auf Inga Günther gestoßen. Die Geschäftsführerin der Initiative Ökologische Tierzucht gilt als Expertin für Zweinutzungshühner und züchtet sie. Diese Tiere haben die Besonderheit, dass sie nicht nur Eier legen, sondern auch Fleisch ansetzen können. Eigentlich selbstverständlich, doch in der Massentierhaltung ist den Hühnern diese natürliche Eigenschaft in den vergangenen 60 Jahren gezielt abgezüchtet worden. Die Folge: Männliche Küken, die Brüder der Legehennen, gelten als wertlos und werden gleich nach dem Schlüpfen getötet – 45 Millionen, jedes Jahr. Bei Zweinutzungshühnern muss kein Küken sterben, bloß weil es das falsche Geschlecht hat. Zudem sind sie widerstandsfähiger als die überzüchteten Hochleistungsrassen und können artgerecht als Bio-Hennen gehalten werden. Die Hühner der Initiative Ökologische Tierzucht leben bereits auf 500 Höfen in ganz Deutschland. Von Inga Günther haben wir erfahren, warum es sich langfristig lohnt, in diese Tiere zu investieren, auch wenn sie weniger Eier legen.
Doch was bringt es, für die Osterdeko ökologische Eier zu verwenden, um sie dann mit Industriefarbe zu bemalen? Kreativtrainerin Claudia Königsmann aus Straßlach in Bayern hat eine Idee. Die Künstlerin stellt aus natürlichen Elementen wie Pflanzen, Gewürzen oder verbranntem Holz nachhaltige Farben her, mit denen man Eier festlich gestalten kann. Die Kreativtrainerin hat sich auf die Arbeit mit Kindern spezialisiert. Insbesondere in der Pandemiezeit verbringen diese mehr Zeit vor ihren Bildschirmen, inzwischen jeder oder jede Zweite bis zu acht Stunden am Tag. Während die Mehrheit der Mädchen in den sozialen Medien unterwegs ist, zocken die Jungs online. Dadurch verkümmern ihre „Fantasiekanäle“, wie Claudia Königsmann sagt, und dieser Entwicklung will sie etwas entgegensetzen. Gerade die Festtage sind gute Gelegenheiten, um sich künstlerisch auszutoben und die Kreativität der jungen Menschen anzuregen. Wir haben Claudia Königsmann und ihre Schülerinnen bei der Materialsuche entlang der Isar begleitet und dabei entdeckt, welche Vielfalt an Farben die Natur in sich birgt. In ihrem Atelier hat uns die Künstlerin dann gezeigt, wie einfach es ist, natürliche Farben selbst herzustellen.
Bei der Recherche zu den Eiern landeten wir natürlich auch beim Thema Essen. Das Ei ist mit eine der Lieblingsbackzutaten der Deutschen. Sie kommt gerade zu Ostern in die traditionellen Backwaren wie Osterbrot, -zopf oder -hase. Für uns ist es selbstverständlich, diese Spezialitäten zum Osterbrunch und Osterkaffee im Kreis unserer Familien und Freunde zu genießen. Doch die meisten von uns kennen Menschen, die auf Eier, aber auch auf Weizen verzichten müssen oder möchten - weil sie vegan leben oder eine Unverträglichkeit haben. Eine von ihnen ist Katharina Böttger. Sie hat Zöliakie, eine schwere Form vom Glutenunverträglichkeit, an der fast eine Million Menschen in Deutschland leiden. Sie wollte weder im Alltag noch an Feiertagen auf die traditionellen Bachwaren verzichten und hat gemeinsam mit Rena Wiese die Backmanufaktur Echt Jetzt in München gegründet. Das Besondere daran ist: Hier wird 100% glutenfrei gebacken. Sie verwenden bevorzugt Reis-, Buchweizen- oder Hirsemehl, aber auch die anderen Zutaten wie Hefe oder Ei werden ersetzt. Oftmals mit Alternativen, die schon unsere Großmütter kannten, die aber durch die Industrialisierung unserer Lebensmittel in Vergessenheit geraten sind. So wird anstatt Eiern ein Leinsaat-Wasser-Gemisch als Bindemittel eingesetzt, und Hefe stellen die Bäcker*innen selbst her: aus Rosinen. Die Reaktionen der Kundinnen und Kunden zeigen, wie groß der Bedarf nach neuen Backinnovationen ist. Viele kaufen in der offenen Ladenbäckerei in der Maxvorstadt ein, und viele bestellen online. Das Internetgeschäft boomt. Wir waren dabei, als in der Backmanufaktur eine Versuchsreihe für die Festtage gestartet wurde. Der erste Test ging ganz schön daneben, das fanden nicht nur wir, auch die Bäckerinnen und Bäcker kritisierten ihren Versuch schonungslos. Es wurde so lange experimentiert, bis eine moderne Lösung für traditionelle Lieblingsgebäcke gefunden war.
Auch das Onlinegeschäft des Chocolatiers Thomas Michel hat vor Ostern Hochsaison. Wir fanden die Firma Edelmond bei unserer Suche nach nachhaltiger Schokolade für die reichlich befüllten Nester zum Festtag. Dabei stellt er weder Häschen noch Eier aus den Kakaobohnen her, die er in der Dominikanischen Republik kauft, sondern einfach nur Tafeln. Er legt kein Wert auf Form, sondern auf Fair-Trade gehandelte Zutaten. Abgesehen von den Kakaobohnen arbeitet Thomas Michel nur mit Zutaten aus der Region, in diesem Fall Brandenburg. Was seine Produkte ausmacht, ist zudem die liebevolle Verarbeitung. Er macht seine Kakaomasse selbst, das dauert länger als die übliche Herstellung, das schmeckt aber auch besser. Wir fanden uns in einer Chocolaterie wie aus früheren Zeiten wieder, weil hier noch das Handwerk des Schokoladenmachers ausgeübt wird. Es war interessant, die einzelnen Arbeitsabläufe zu dokumentieren und mitzubekommen, wie liebevoll die Produkte hergestellt werden. Die Schokolade hat uns geschmeckt, besonders die Zutaten aus der Region wie Sanddorn oder Erdbeeren.
Wir freuen uns auf Ostern, besonders darauf, dass wir - inspiriert von diesen Menschen - die Festtage mit gutem Gewissen genießen werden.