Nach den Ereignissen im letzten Sommer war die Aufgabe klar: gute und vorbildliche Ideen finden, wie wir uns besser vor Starkregen schützen können.
Doch die Recherche drohte von Anfang an ziemlich uferlos zu werden. Seit der Flutkatastrophe im Ahrtal im vergangenen Juli war nicht nur das Thema in aller Munde, es beschäftigte sich auch annähernd jede Kommune in Deutschland mit genau dieser Frage: Wie schützen wir uns vor der Starkregengefahr? Schließlich ging es nicht um eine Jahrtausendkatastrophe, wie sie nur einmal und dann hoffentlich nie wieder vorkommt.
Nein, Wissenschaftler bestätigten sofort die bedrückende Erkenntnis, dass solche Regenmengen, wie sie im Ahrtal gefallen waren, aufgrund des Klimawandels immer wahrscheinlicher werden. Das bedeutete auch: Alles, was bisher an Schutzkonzepten erdacht und entwickelt wurde, wird in Zukunft nicht mehr ausreichen.
Mein Blick fiel auf Nierendorf, ein Örtchen in der Gemeinde Grafschaft, das am beschaulichen Leimersdorfer Bach liegt. Innerhalb weniger Jahre war es dreimal überflutet worden, zuletzt 2016, als innerhalb von zwei Stunden weit über 100 Liter Regen fielen. Wieder so ein Jahrtausendereignis, von dem man dachte, dass es nie passieren würde, weil es ja statistisch so gut wie ausgeschlossen schien.
In der Gemeinde Grafschaft hatten die Verantwortlichen reagiert und ein Konzept mit dem schönen Namen „Stark gegen Starkregen“ erarbeitet. Je mehr ich mich damit beschäftigte, desto deutlicher wurde, dass dahinter nicht nur schöne Worte steckten, sondern die intensive Arbeit mehrerer Ingenieurbüros sowie unzählige Vor-Ort-Termine, in denen die Sorgen und Wünsche der betroffenen Bürger*innen integriert wurden.
Herausgekommen ist so ein ganzheitliches Hochwasserschutzkonzept, dessen Umsetzung noch viele Jahre dauern und viele Millionen Euro kosten wird. Aber Experten und die meisten Anwohnenden sind sich einig: Wenn alle Maßnahmen umgesetzt sein werden und zusammenwirken, dann können die Menschen im Gemeindegebiet ruhiger schlafen.
Von Anfang an war klar, dass es in unserem Film nicht nur um Orte gehen soll, die aufgrund ihrer Lage in Flusstälern als gefährdet gelten. Auch Großstädte sind schon eine ganze Weile betroffen – im Juli 2014 ging zum Beispiel die Innenstadt von Münster in einer, bis dahin unvorstellbaren Sintflut unter. Ein Ereignis, das sehr deutlich machte, wie dringend sich auch Städte schützen müssen, die nicht an größeren Flüssen liegen.
Immer wieder hatte ich in diesem Zusammenhang vom Schwammstadtprinzip (englisch: sponge city) gehört: Städte sollen so umgebaut werden, dass der Regen nicht ab- und weiterfließt, sondern dort aufgesogen wird, wo er herunterfällt. Über zwei deutsche Landschaftsarchitekten stieß ich auf das Beispiel Kopenhagen mit dem Skybruds-Plan, übersetzt heißt das: Wolkenbruch-Plan.
Innerhalb von 20 Jahren werden in der dänischen Hauptstadt rund 300 verschiedene Bauprojekte umgesetzt, die alle ineinandergreifen und das gesamte Stadtgebiet in eine „Sponge City“ verwandeln. Nirgendwo sonst auf der Welt wird bisher eine ganze Stadt transformiert. „Vor zehn Jahren haben die Kopenhagener noch neidisch nach Berlin geschaut. Jetzt sind sie zum Vorreiter geworden“, sagte mir Antje Backhaus, Landschaftsarchitektin aus Berlin.
Nun fehlte noch ein Themenansatz für das Land. Denn auch dort hinterlässt Starkregen seine verwüstenden Spuren – das wurde im Laufe der Recherche schnell klar. Der Schlamm, den Flutopfer aus ihren Kellern und Häusern heraus schippen und baggern, kommt fast immer von Äckern und Feldern. Der Regen hat ihn abgeschwemmt: fruchtbarer Boden, den die Bauern nicht ersetzen können.
Es ist ein gewaltiges Problem für die Landwirtschaft: Bis zu 50 Tonnen Boden pro Hektar Acker gehen jährlich in Deutschland verloren. Das zu verhindern, hat sich die Initiative boden:ständig vorgenommen. „Die meisten Bauern glauben vor allem an moderne Technik“, sagte mir Jakob Meier, boden:ständig-Abteilungsleiter für Mittelfranken. „Wir versuchen, mit ihnen zusammen altes Wissen wiederzuentdecken.“ Das klang spannend, und so entschied ich mich für einen Land-Ausflug nach Flachslanden, der neben vielen anderen vor allem eine überraschende Erkenntnis brachte: Auch Regenwürmer helfen gegen Starkregen.
von Jochen Klöck