Anscheinend ist das mit den Filmen über Wasserstoff nicht ganz so einfach.
Als mir das Projekt Anfang des Jahres von der Produktionsfirma Riverside Entertainment vorgeschlagen wurde (noch vor dem Ukraine-Krieg und der Energiekrise, die es jetzt aktueller denn je machen) gab es schon einige Anläufe: zu technisch, zu männlich besetzt, zu wenig reportagig, so die Bedenken!
Auch deshalb haben wir viel Herzblut in die Recherche gelegt, um charismatische Protagonist*innen zu finden. Soviel vorab: es bleibt ein Männer-dominiertes Feld! Insofern sind die meisten Gründer, Macher, Visionäre immer noch männlich. Aber so ist nun mal die Realität, die wir ja in dieser Reportage ein Stück weit abbilden wollen.
Also schoben wir die Bedenken beiseite und ließen uns wie immer vom Inhalt leiten. Wir, das heißt mein Kollege von Riverside, Johannes Buck, der mich bei der Recherche unterstützt. Zusammen identifizierten wir die größten Klimakiller, für die Wasserstoff eine Alternative ist.
Ganz oben auf der Liste: Flug- und Schwerlastverkehr, chemische Industrie und Stahlproduktion. Viele dieser Zukunftsvisionen mit Wasserstoff, so merkten wir schnell bei der Internet- und Telefonrecherche, versprechen Großes auf dem Papier, sind jedoch noch nicht in der Anwendungs-Phase. Die einzige Stahl-Firma, die wir fanden, die tatsächlich schon die erste Charge "grünen Stahl" produzierte, war "SSAB" in Nord-Schweden. Nach einigen Gesprächen mit der Presseabteilung wurde aber schnell klar, dass die Produktion derartig automatisiert und in abgeschlossenen Räumen vor sich geht, dass wir kaum eine Möglichkeit haben, eine persönliche und bildstarke Geschichte zu erzählen.
Wir suchten also noch etwas, mit dem der Zuschauer sich identifizieren kann. Johannes Buck und unser Chefredakteur Christian Dezer hatten beide unabhängig voneinander von einem Wasserstoff-Stromspeicher für das Eigenheim gehört. Damit können auch Privatpersonen Solarenergie das ganze Jahr über speichern. Das führte uns zur Firma "Home Power Solutions" und ihrem Gründer Zeyad Abul-Ella aus Berlin.
Über Josef Kallo und sein wasserstoffbetriebenes Flugzeug gab es schon einen Beitrag bei ARTE. Insofern haben wir in der Redaktion lange überlegt und diskutiert, ob wir ihn quasi ein zweites Mal als Protagonisten präsentieren können. Ich telefonierte mit Firmen in Frankreich und England, die auch einen Wasserstoff-Flieger versprachen, um eine Alternative für den Film zu finden. Aber es wurde schnell klar, dass diese Flugzeuge noch keine Testflüge absolvierten. Josef Kallo ist mit seiner HY4 also die Speerspitze der Entwicklung. Und die Chance ihn bei einem seiner ersten "langen" Flüge von Stuttgart nach Friedrichshafen zu begleiten, würde sich so schnell nicht wieder bieten.
Zum Schweizer Unternehmen "H2Energy" berichtete mir Johannes Buck immer wieder. Pioniere aus der Wasserstoffproduktion, der Tankstellenbranche und der KFZ-Industrie hatten sich dort zusammengeschlossen, um eine komplette Wasserstoff-Infrastruktur für den Schwerlastverkehr aufzubauen. Hier konnten wir beobachten, wie die einzelnen Gewerke sich gegenseitig unterstützten, um ein neues Ökosystem zu etablieren. Über Hansjörg Vock hofften wir, den Umbau einer Tankstelle zu begleiten. Darüber kam auch der Kontakt zu Martin Osterwalder, auch er Mitglied bei "H2Energy", der tatsächlich eine große Mission hatte: Das Mineralölimperium seines Familienunternehmens langsam in eine nachhaltige Zukunft mit Wasserstoff zu führen.
Dabei wurde mir selbst klar: wir haben viel zulange darauf gewartet, dass die Politik die Weichen für Wasserstoff stellt. Es geht auch nicht darum, abzuwarten, welche Technologie das Rennen macht - ob Wasserstoff oder E-Antrieb zum Beispiel. Denn nur, wenn wir alle Lösungen ausschöpfen und auch vor Investitionen nicht zurückschrecken, kann die Energiewende gelingen. Schließlich sind wir selbst die Pionier*innen, die schon jetzt im Alltag auf "nachhaltig" umrüsten können.