Macht die Gesundheit von uns Menschen die Erde krank? Diese Frage stellt sich kaum jemand.
Doch nach den Jahren der Pandemie voller Bilder von dick in Schutzkleidung gehülltem Klinikpersonal kommt man nicht daran vorbei: Wohin mit dem ganzen Müll? Wie viel fällt auch im normalen Betrieb an und welche Bereiche unseres Gesundheitssystems sind sonst noch eine Belastung für Umwelt und Klima? Schnell fanden wir heraus: Unsere Gesundheitsversorgung ist der fünftgrößte Abfallproduzent des Landes und gilt als großer Umweltsünder.
Für unseren Film wollten wir uns in einem Krankenhaus umsehen und wählten dafür die Charité in Berlin, das größte Universitätsklinikum Europas. Auf der Jagd nach verborgenen Klimakillern jenseits von Energieaufwand und Müll stießen wir auf Narkosegase. Eines davon übersteigt die Treibhauswirkung von CO2 um das 2.540-Fache. Die Nachhaltigkeitsforscherin der Charité, Dr. Susanne Koch, möchte den Großteil davon mit Filtersystemen binden und sogar recyceln lassen. Das klingt vielversprechend und macht Mut.
Auch Professor Heinrich von der Uni Erlangen beschäftigt sich mit der Wiederverwendung von wertvollen medizinischen Wirkstoffen. In Deutschland werden jedes Jahr Arzneimittel im Wert von 47,2 Milliarden Euro verschrieben, schätzungsweise landet die Hälfte davon im Hausmüll. Professor Heinrich und sein Team haben ein innovatives Verfahren entwickelt, mit dem sie die wertvollen Wirkstoffe aus den weggeworfenen Tabletten extrahieren. Diese kosten neu bis zu 5.000 Euro pro Gramm. Noch ist es der Pharmaindustrie nicht erlaubt, diese Wirkstoffe erneut für die Medikamentenherstellung zu verwenden, doch die Forschung kann mit ihnen arbeiten, anstatt sie teuer in Indien und China einzukaufen - Länder, in denen zudem unter schlechten Umweltbedingungen produziert wird. Doch Professor Heinrich ist zuversichtlich, bald die gesetzlich geforderte 100-prozentige Reinheit bei seinen recycelten Wirkstoffen zu erreichen. Das wäre ein Riesendurchbruch für eine grünere Medizin!
Unsere Suche nach zukunftsweisenden Initiativen führte uns zu Dr. Israel, Chefkardiologie im Evangelischen Klinikum Bethel in Bielefeld. Er hat 2010 das Projekt "Herzschrittmacher für Ostafrika" gegründet. In Deutschland werden jährlich schätzungsweise 100.000 Schrittmacher implantiert. Die meisten Geräte überleben ihre Träger und müssen nach deren Tod aufwendig entsorgt werden, weil sie bei der Feuerbestattung explodieren und bei der Erdbestattung die Erde verschmutzen. Als Dr. Israel mit seiner kenianischen Frau Nairobi besuchte, sah er, dass 95% der Menschen dort sich niemals einen Schrittmacher leisten könnten. Er entschied, in Deutschland die gebrauchten, aber funktionsfähigen Geräte zu sterilisieren und Bedürftigen einzusetzen. In Deutschland ist dies verboten. Der Herzspezialist fährt zwei Mal im Jahr nach Kenia und Sambia und implantiert ehrenamtlich Herzschrittmacher. Wir haben ihn nach Nairobi begleitet. Innerhalb von vier Tagen hat er zehn Menschen operiert, die ohne dieses Projekt über mehrere Wochen qualvoll erstickt wären. Eine davon ist die 14-jährige Mercy, eine Halbwaise, deren Familie nicht mal das Durchschnittsgehalt von 630 Dollar im Monat verdient. Ein Schrittmacher kostet in Kenia 5.000 Dollar. Dieses Projekt inspiriert zu der Frage, ob wir nicht in Deutschland zusätzlich zu Organen auch medizinische Hilfsmittel wie Brillen, Hörgeräte oder Prothesen spenden könnten, denn was wir achtlos als Müll wegwerfen, kann andernorts Leben retten.
Die Erkenntnis unserer Recherche ist: Ja, die Medizin macht die Umwelt krank. Doch es gibt auch Mediziner, die vielversprechende Heilungsideen haben. Damit der Mensch und die Umwelt gesund werden und bleiben. Das macht Hoffnung auf Besserung.
von Candan Six-Sasmaz