Leere Tankstellen und Supermarktregale – Versorgungsengpässe wie in Großbritannien sind auch in Deutschland möglich, denn es fehlen rund 80.000 Lkw-Fahrer. In Transport, Pflege und Lebensmittelproduktion sollen neue Arbeitsmodelle gute Leute im Job halten.
Sie pflegen Alte und Kranke, ernten und verkaufen Lebensmittel und transportieren unverzichtbare Waren durch ganz Europa. Doch einen angemessenen Lohn und eine gesellschaftliche Anerkennung bekommen Beschäftigte in systemrelevanten Berufen viel zu selten. "In einer Situation wie Covid merkt man natürlich, was man an der Pflege hat, aber das vergisst man wieder ganz schnell", sagt Kerstin Leib. Sie arbeitet als Krankenpflegerin an den Universitäts- und Rehabilitationskliniken Ulm und setzt sich dafür ein, dass sich die Arbeitsbedingungen im Kollegium langfristig ändern – durch mehr Mitbestimmung, eine wertschätzende Zusammenarbeit mit Ärztinnen und Ärzten und eine höhere Akademisierungsrate der Pflegekräfte. Die Idee stammt aus den USA und ist die Basis des sogenannten Magnet-Qualitätssiegel für Krankenhäuser. 2023 will die Ulmer Klinik als erstes deutsches Krankenhaus das Siegel erhalten.
Ähnlich wie die Pflege leidet auch die Transportbranche unter Fachkräftemangel. Unregelmäßige Arbeitszeiten und zunehmender Stress machen den Job des Lkw-Fahrers unattraktiv. Speditionen müssen kreativ sein, um Beschäftigte zu finden und zu halten. "Wir versuchen natürlich für die Fahrer ein bisschen Heimat zu schaffen, sodass sie nicht nur ein gutes Equipment vorfinden, sondern auch gut betreut werden", sagt Kurt Metz. Er ist Fuhrparkleiter bei der Spedition Bork im hessischen Langgöns und begann bereits vor rund zehn Jahren, die Arbeitsbedingungen auf polnische Fahrer zuzuschneiden: mit Übersetzungshilfen, polnisch sprachigen Ausbildern und Sprachkursen. Viele Trucker pendeln zwischen Polen und Deutschland. Wer bereit ist, mit der Familie nach Hessen zu ziehen, dem hilft die Spedition bei der Wohnungssuche und bietet Schichtbetrieb an.
Unter welchen Bedingungen Produkte des täglichen Bedarfs transportiert und hergestellt werden, ist für Konsumentinnen und Konsumenten oft nur schwer nachvollziehbar. Darum reist Fairtrade-Unternehmerin Christiane Lüst regelmäßig nach Italien, wo das Obst und Gemüse angebaut wird, das sie verkauft. "Wir wollen, dass die Menschen, die auf dem Feld arbeiten und unser Essen produzieren, faire Löhne bekommen", sagt die Bayerin. Sie arbeitet mit Yvan Sagnet zusammen, dem Pionier für mehr Gerechtigkeit im Obst- und Gemüseanbau in Italien. Er hat das No-Cap-Siegel erfunden, das Tariflohn und die Einhaltung von gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitszeiten garantiert. In einer Branche, in der mafiöse Strukturen und Ausbeutung vorherrschen, ist das eine Revolution. Christiane Lüst vertreibt die No-Cap-Produkte jetzt auch im deutschsprachigen Raum – mit großem Erfolg.