Kirchengemeinden müssen fusionieren, und Gotteshäuser liegen brach. Was in Zukunft aus Kirchen werden könnte, diskutieren Wissenschaftler Harald Lesch und Theologe Thomas Schwartz.
Bei ihrem Gespräch im Liebfrauenmünster in dem mittelfränkischen Ort Wolframs-Eschenbach schöpfen die beiden Freunde auch aus persönlichen Erlebnissen: Was verbinden sie mit Kirchen seit ihrer Kindheit? Was bieten die sakralen Bauwerke, was andere Gebäude nicht haben?
Kirchen bestimmen die Silhouette eines Dorfes oder einer Stadt. Sie sind häufig die ältesten und größten Bauwerke. An zentralen Plätzen gelegen, prägen sie die Identität eines Ortes. Seit Jahrhunderten stehen sie für Gemeinschaft. Von der Wiege bis zur Bahre – die meisten Menschen verbinden die wichtigsten Momente des Lebens mit ihnen.
Was passiert mit den Gebäuden, wenn sie nicht mehr für den Gottesdienst benötigt werden? Wie kann man eine Verwendung finden, die ihrer ursprünglichen Nutzung entspricht und auch die Emotionen der Menschen vor Ort berücksichtigt? Harald Lesch und Thomas Schwartz überlegen, was den Menschen verloren geht, entwickeln Ideen und Utopien.
Im Zentrum steht die Frage, wie es gelingen kann, den Gemeinschaftsgedanken auch in ein neues Nutzungskonzept zu übertragen. Wichtig ist Harald Lesch und Thomas Schwartz dabei, wenn möglich, den Sakralcharakter der Gebäude zu erhalten und ein Refugium zu schaffen, das die Bedürfnisse vieler Menschen anspricht.
In fast jedem Dorf und jeder Stadt Deutschlands gibt es Kapellen, Kirchen oder Kathedralen, etwa 42.500 insgesamt. Seit über 1000 Jahren sind sie das Herzstück des sozialen und kulturellen Lebens, eröffnen eine Welt außerhalb des Alltags. Der Verlust dieser Gebäude wäre auch ein Verlust für die Gemeinschaft.
Weniger Kirchgänger, weniger Personal und sinkende finanzielle Ressourcen machen ihren Erhalt schwierig. Gemeinden werden zusammengelegt, Kirchen geschlossen, verkauft oder abgerissen. Ehemalige Kirchen werden zu Wohnungen, Geschäften, Restaurants, Tanzsälen oder Kletterhallen.
Kirchen waren immer auch Sehnsuchts- und Ruheort für Menschen, selbst für diejenigen, die selbst nicht religiös sind. Als spiritueller Raum ermöglichen sie eine andere Form der Gespräche. Als Symbole für Gemeinschaft und Zusammenhalt können sie gerade in der heutigen Zeit eine wichtige Funktion übernehmen.
Wissenschaftler Harald Lesch und Theologe Thomas Schwartz plädieren dafür, die Kirche im Dorf zu lassen und neu zu nutzen. Welche innovativen Optionen gibt es? Was ist dafür nötig? Wie können Kirchen, Politik und Kultur zusammenarbeiten? Denn die Debatte darüber ist keine rein kirchliche Angelegenheit.
Harald Lesch, Astrophysiker, Naturphilosoph, Wissenschaftsjournalist und Fernsehmoderator, moderiert die ZDF-Wissenschaftsreihe "Leschs Kosmos", die "Terra X"-Reihe "Faszination Universum" und zahlreiche andere "Terra X"-Sendungen sowie den YouTube-Kanal "Terra X Lesch & Co". Harald Lesch erhielt zahlreiche wissenschaftliche und journalistische Auszeichnungen, unter anderem den Deutschen Fernsehpreis 2018 und 2020 sowie 2023 das Bundesverdienstkreuz.
Thomas Schwartz, römisch-katholischer Priester, Theologe, Honorarprofessor, Autor, Verleger und Fernsehmoderator, hat zusammen mit Harald Lesch mehrere Bücher veröffentlicht und ist außerdem Hauptgeschäftsführer des katholischen Osteuropa-Hilfswerks Renovabis.