Margarete van Ess ist wissenschaftliche Direktorin der Orientabteilung des Deutschen Archäologischen Instituts Berlin und Fachberaterin für die "Terra X"-Dokumentation über Palmyra.
Welche Rolle spielt die satellitengestützte Fernerkundung in der Archäologie – besonders im Hinblick auf die zerstörten Baudenkmäler in Palmyra?
Mit hochaufgelösten Satellitenbildern lassen sich sehr schnell Veränderungen in einer Landschaft oder einem Bauwerk überprüfen. Wir können also ziemlich präzise sagen, was an welcher Stelle verändert wurde – also ob zerstört, auf- oder weggeräumt oder anders genutzt als zuvor. Damit ist der Ort und das Monument zwar noch nicht erreichbar, man kann sich aber recht gut auf später notwendige Projekte vorbereiten, diese methodisch diskutieren und sicherlich auch schon einmal den möglichen organisatorischen Umfang kalkulieren.
Wie gehen Sie bei der Analyse eines Satellitenbildes vor?
In der Regel gehen wir zweigleisig vor: Archäologen, die einen Ort oder ein Monument wissenschaftlich sehr gut kennen, nehmen eine visuelle Bewertung vor, das heißt, es werden ältere Bilder (oder Wissen) und das aktuelle Satellitenbild verglichen. Gleichzeitig analysieren Fernerkundungsspezialisten die Bilder und können Informationen zu der Aussagekraft der Bilddaten, zum Material eines Monuments oder zur Struktur eines Zerstörungsbilds beisteuern.
Wie stark ist die Zerstörung von Palmyra durch die Terrormiliz des IS tatsächlich?
Die Beobachtung von Palmyra über Fotos und Fernerkundungsdaten wird nicht erst seit Beginn der Zerstörungen durch ISIS gemacht. Wir wissen daher, dass es keineswegs nur ISIS war, der in Palmyra Zerstörungen hinterlassen hat. Raubgrabungen und Zerstörungen bei Militäreinsätzen gab es während des Syrien-Konflikts vorher schon und gibt es immer noch. ISIS hat jedoch gezielt mehrere sehr gut erhaltene Monumente zerstört, die für den Weltkulturerbe-Ort Palmyra besondere Bedeutung hatten. Es ist also weniger die Anzahl als vielmehr die Bedeutung der zerstörten Monumente, die Palmyra so sehr getroffen hat.
Angenommen, Palmyra könnte wieder aufgebaut werden, was sollte man beachten?
In jedem Fall muss als erstes der Zustand des zerstörten Monuments im Detail dokumentiert werden. Dazu gehört nicht nur ein exakter Plan des zerstörten Monuments, sondern auch eine Sichtung der zerstörten, aber noch herumliegenden Bauteile aus materieller und konservatorischer Sicht. Nur so lässt sich präzise bestimmen, wie stark die Zerstörung tatsächlich ist, welche Originalteile bei einer Restaurierung nutzbar sind, ob eine klassische Restaurierung möglich ist, oder ob man einen Wiederaufbau oder ein Abbild mit modernen Materialien einplanen sollte. Unbedingt ist aber auch der emotionale Wert und die bisherige Raumwirkung des Monuments einzubeziehen und zwar sowohl aus Sicht professioneller Kulturschützer als auch aus der Sicht der lokalen Bevölkerung.
Wie könnte das Deutsche Archäologische Institut den Wiederaufbau Palmyras nach der Zeit der Krise vor Ort unterstützen?
Die Stärke des DAI liegt eindeutig in dem großen Bestand an alter Dokumentation, das heißt archäologischem und bauhistorischem Detailwissen zu Palmyra. Diese wird im Moment systematisch digital aufbereitet. Die Daten sind wichtig, wenn es um die Planung zukünftiger Maßnahmen geht. Ohne Kenntnis der dokumentierten Details kann keine professionelle Restaurierung umgesetzt werden. Auch unsere Expertise im praktischen Umgang mit antiken Baumaterialien und Bauwerken und vor allem die jahrzehntelange Arbeit vor Ort in Syrien mit den dortigen Kollegen hilft sehr, die notwendigen Arbeitsschritte und Techniken vorzuplanen und dann auch umzusetzen. Deswegen investieren wir bereits jetzt intensiv in die Ausbildung junger lokaler Archäologen, die dann hoffentlich maßgeblich die Maßnahmen durchführen können.