„Die Bahn hat lange an der Schieneninfrastruktur gespart und nie investiert. Und jetzt ist alles kaputt und muss aufgearbeitet werden – eine echte Katastrophe“, sagt Lokführer Eric Otten. So wie er denken viele seiner Kollegen, die Güter mit der Bahn durch Deutschland transportieren. Denn jahrelang haben Bundesregierung und Deutsche Bahn an der Schiene gespart. Durch den Rückbau von Weichen und Gleisen und die systematische Schließung von Güterbahnhöfen mangelt es bei der deutschen Schieneninfrastruktur an vielen Stellen. Die Folge: Immer wieder kommt es auf den Gleisen zu Staus und Verzögerungen.
Klimasünder LKW
Diese Verspätungen haben Folgen: Viele Speditionen setzen daher lieber auf den Lkw statt auf den Zug. Laut dem Statistischen Bundesamt liefen 2017 rund 72 Prozent aller Gütertransporte in Deutschland über die Straße. Auf der Schiene hingegen waren es nur etwa 17 Prozent. Dabei gilt die Bahn als umweltfreundliche Option. Matthias Gastel, bahnpolitischer Sprecher vom Bündnis 90/Die Grünen, sieht dringenden Handlungsbedarf: „Wenn es nicht gelingt, erhebliche Mengen des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene zu verlagern, hat das fatale Folgen für Umwelt und Klima.“
Auch das Umweltbundesamt identifiziert den Lastverkehr als Klimasünder. Während die Güterbahn im Jahr 2017 lediglich rund 19 Gramm Treibhausgase pro Tonnenkilometer in die Luft blies, produzierte der Lkw für dieselbe Verkehrsleistung fünf Mal so viel CO2. Trotz dieser alarmierenden Zahlen haben Lastwagen die Güterzüge abgehängt. Und ein Wandel kommt in Deutschland nur langsam in Gang.
Vorbild Schweiz
Bei der Schweiz hingegen ist alles auf Schiene. Seit Jahrzehnten kämpft das Alpenland mit gewaltigem Transitverkehr – und investiert deshalb gezielt in die Bahn. 365 Euro werden jährlich pro Einwohner für den Schienenverkehr ausgegeben. In Deutschland sind es dagegen gerade einmal 77 Euro. Und der Ausbau der Infrastruktur zeigt Wirkung: 2018 lag der Anteil der Schiene an Gütertransporten durch die Schweizer Alpen bei 70 Prozent.
In Deutschland entwickeln Bund und Bahn nur langsam Pläne, um mehr Güter mit Zügen zu transportieren. So sieht beispielsweise der „Masterplan Schienengüterverkehr“ vor, den Güterverkehr auf der Schiene bis 2030 mindestens zu verdoppeln. Andreas Scheuer (CSU), Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, kündigt zudem an, dass die Bahn künftig noch mehr für den Umweltschutz tun wird: „Wir investieren so viel wie nie zuvor. Und Sie werden es sehen: Wir stärken die Schiene noch mal mit einem kompletten Umbau des Systems.“ Gemeint ist: In 20 Jahren sollen in Deutschland alle Züge mit Ökostrom fahren – in Österreich schon heute Realität. Doch letztendlich müssen vor allem für die Güterzüge wieder mehr Schienen her.
Finanzbedarf bleibt ungedeckt
Christian Böttger, Verkehrsökonom an der HTW Berlin, hält die Pläne des Verkehrsministeriums für unrealistisch. Laut Böttger seien mindestens 70 Milliarden Euro nötig, um den Verkehr auf der Schiene bis 2030 zu verdoppeln. Gemäß des Bundesverkehrswegeplans stünden jedoch nur 19 Milliarden Euro zur Verfügung. Woher die restlichen 51 Milliarden kommen sollen, sei unklar. Christian Böttger kritisiert: „Die Haushaltslinie für Neu- und Ausbau der Schiene ist seit Jahren unverändert. Sie ist niedriger als vor 10 oder 15 Jahren. Und die Bundesregierung hat auch klar gemacht, dass sie nicht bereit ist, dort mehr Mittel bereitzustellen. Damit sind die Ziele auch nicht erreichbar, den Verkehr auf der Schiene zu verdoppeln.“
Ein gut laufender Güterverkehr auf der Schiene in Deutschland – bislang Utopie. Alles hängt nun davon ab, ob den aktuellen Absichtsbekundungen der Politik auch wirklich Taten folgen. Was können wir tun, um den Warenverkehr umweltverträglicher zu machen? "planet e." macht sich auf die Suche nach Lösungen.
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