Mehr als 66 Millionen Tonnen Treibhausgase produziert die deutsche Landwirtschaft jährlich. Hinzu kommen etwa sechs Millionen Tonnen aus dem Import von Sojafutter für die konventionelle Viehhaltung. Die müssten aber vielleicht gar nicht sein.
Für Menschen erlaubt, als Tierfutter verboten
Heinrich Katz aus Brandenburg betreibt die erste industrielle Insektenfarm Deutschlands. Mit 300 Tonnen Larven-Mehl versorgt er bereits heute Haustiere, aber auch Aquakulturen. Reich an Proteinen, sagt der Insektenzüchter, wären die Larven der perfekte Eiweißlieferant für unsere Nutztiere. In der freien Natur gehören Insekten zum festen Speiseplan von Schwein und Huhn, sind nährstoffreich und umweltfreundlicher als Soja. Die Produktion sei zudem extrem flächeneffizient. Experten gehen davon aus, dass künftig bis zu 10 Prozent der Sojaimporte durch Insektenmehl ersetzt werden könnten. Es gibt nur ein Problem: In Europa sind Insekten als Futtermittel für Nutztiere wie Schweine und Geflügel bislang verboten. Der Grund: Der Rinderwahnsinn BSE soll durch das Verfüttern von Tiermehl entstanden sein. Deswegen sind Tiermehle, eben auch aus Insekten, verboten. Gemeinsam mit dem internationalen Verband der Insektenproduzenten (IPIFF) kämpft Katz um die Legalisierung des Insekten-Mehls als Futtermittel.
Erlaubt sind laut EU-Verordnung insektenbasierte Futtermittel für Haustiere wie Hunde und Katzen, und seit 2017 darf Larvenmehl auch an Fische verfüttert werden. Lebende Larven dürfen wiederum als Futter verkauft werden, was zum Beispiel für Hühnerzüchter interessant sein kann. Auch für uns Menschen sind Insekten als Nahrungsmittel seit 2018 anerkannt.
Nachhaltigkeit
Ist das Insektenprotein tatsächlich nachhaltiger als Soja? In der Forschung besteht kein Konsens. Nutztierwissenschaftler Dr. Christoph Sandrock vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau misst in seinem Labor in der Schweiz den tatsächlichen CO2-Ausstoß, den Larven der Schwarzen Soldatenfliege verursachen. Die genauen Daten sind für Industrie und Politik von großem Interesse. Finale Ergebnisse liegen noch nicht vor, doch ein Kernproblem zeichnet sich schon jetzt ab: Wie nachhaltig die Larven am Ende wirklich sind, hängt davon ab, womit man sie füttert. Das Prinzip ist simpel: Nur, wenn die Insekten selbst sich nachhaltig ernähren, sind sie auch wirklich nachhaltige Nahrung.
Ein Prinzip, das ein Pilotprojekt in Kenia bereits vor zehn Jahren erkannt und sich zunutze gemacht hat: Das Start-up Sanergy hat in den Slums um Nairobi über 2500 öffentliche Toiletten aufgestellt. Die menschlichen Ausscheidungen, gemischt mit Lebensmittelabfällen, nutzen die Unternehmer, um Larven der Schwarzen Soldatenfliege zu füttern. Abfall wird zu Viehfutter verarbeitet – alles Dank der Insekten: Die Allesfresser verwerten Exkremente und Lebensmittelreste und verwandeln die Restströme in Protein für die Futtermittel-Industrie. Es entsteht ein effizientes Kreislaufverfahren.
Nicole Sartirani in Berlin wundert das nicht. Wer an ihrem Marktstand steht, der bekommt nicht nur Tapas mit Insekten-Topping, sondern auch einen Crashkurs in Nachhaltigkeit. Die Tochter eines Kammerjägers betreibt ein Catering-Unternehmen und ist überzeugt davon, dass Mehlwürmer und Co. auf unseren Speiseplan gehören. Denn die ökologischen Vorteile für die menschliche Nahrung liegen auf der Hand. Warum diese ausgerechnet Nutztieren verwehrt bleiben sollen, kann sie nicht nachvollziehen.
Noch in diesem Jahr, heißt es aus EU-Kreisen, könnte über die Zulassung von Insekten als Futtermittel entschieden werden. Sollte die Abstimmung positiv verlaufen, öffnet sich für Unternehmer wie Heinrich Katz ein komplett neuer Markt.
Clips: Tapas mit Insekten-Topping
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