Mit den Enthüllungen über den Medien-Mogul Harvey Weinstein fing im Oktober 2017 alles an. Er habe Schauspielerinnen sexuell missbraucht. Folge war eine weltweite Debatte über sexuelle Belästigung und Gewalt gegenüber Frauen, geführt unter dem Hashtag #MeToo.
Nach den Enthüllungen in der New York Times folgt für Harvey Weinstein sein tiefer Fall. Im Januar 2020 wird er in New York zu 23 Jahren Gefängnis verurteilt.
Ein prominenter Fall und doch kein Einzelfall, wie die Debatte um den #MeToo zeigt: Millionen Menschen nutzen den Hashtag, um ihre Erlebnisse sichtbar zu machen. Die Menge an Rückmeldungen lässt erahnen, wie groß das Ausmaß dieser Erfahrungen ist. Gleichzeitig deckt #MeToo sexistische Strukturen und Missbrauch von Machtgefällen auf.
Eine weltweite Debatte entsteht
Ein paar Tage nach den Weinstein-Enthüllungen fordert die US-amerikanische Schauspielerin Alyssa Milano in einem Beitrag auf Twitter, dass jede Frau, die schon mal sexuellen Belästigung oder suxualisierte Gewalt erlebt habe, mit dem Hashtag #MeToo auf den Tweet antworten solle. Innerhalb der nächsten 24 Stunden wurde das Hashtag weltweit über 500.000 Mal auf Twitter und über 12 Millionen Mal auf Facebook genutzt. In anderen Ländern läuft die Debatte teilweise unter anderem Namen, in Frankreich zum Beispiel unter #MoiAussi.
Auch in Deutschland hat die #MeToo-Debatte eine neue Ära des Feminismus eingeleitet, die gerade neu befeuert mit Fällen wie des ehemaligen "Bild"-Chefredakteurs Julian Reichelt, des Comedians Luke Mockridge oder des Intendants Klaus Dörr, dem Machtmissbrauch an der Berliner Volksbühne vorgeworfen wird, weshalb er zurücktreten musste.
Was verändert #MeToo?
Bei #MeToo geht es nicht um Einzelfälle, sondern um ein System, um Machtmissbrauch, der Abhängigkeiten hervorbringt und noch immer mit stereotypen Männer- und Frauenbildern funktioniert. Sozialpsycholog*innen wie Rolf Pohl und Kulturwissenschaftlerin Mithu Sanyal betonen in der ZDF-Dokumentation „Wie sexistische ist Deutschland?“: Feministische Bewegungen haben zwar viel bewegt, doch in einigen Bereichen handeln wir weiterhin zutiefst sexistisch und auf Grundlage alter, tradierter Muster.
Alltags-Sexismus in Deutschland
Im Park am hellen Tag fasst ein fremder Fahrradfahrer einfach einer Joggerin an den Po und haut ab. Eine Physiotherapeutin muss sich täglich sexistische Sprüche in der Praxis anhören. Eine Andere erzählt von der Begegnung mit drei fremden Männern auf einer Heimfahrt abends allein im Bus: „Sie haben mich angesprochen: 'Du bist so hübsch, wohin fährst du?'“ Und am Rande einer Party küsst ein Mann ohne Ankündigung eine Frau auf den Mund. „Ich war völlig perplex, erwiderte seinen Kuss nicht und lächelte es nur weg.“ Frauen erleben auch in Deutschland sexuelle Belästigung und sexualisierte Gewalt. Die hier beschriebenen Beispiele sind Ergebnis unserer Recherche zur 37 Grad-Themenwoche auf INSTAGRAM. Alltagssexismus, den diese Frauen erlebt haben. Und auch ihre Reaktion darauf hört sich meist immer ähnlich an: Überraschung, das Gefühl bedroht zu werden und Angst – davon erzählen uns die Frauen. Die Wut über diese Grenzüberschreitungen kommt oft erst viel später.
#MeToo - was hat sich verändert?
Der Hashtag #MeToo hat 2017 die Erlebnisse von Millionen Betroffenen sichtbar gemacht. Wir haben versucht mit unserer 37Grad-Themenwoche auf Instagram zu vier Jahren #MeToo eine Bilanz zu ziehen. Wie ist die Situation in Deutschland? Was hat #MeToo bewegt?
Lisa Seelig, Textchefin von @editionf_com, Riccarda Theis vom Weisser Ring e.V., die Professorin für Psychologie Dr. Nadia Sosnowsky-Waschek und dem Transformations- und Diversity-Berater Robert Franken haben die #MeToo-Bewegung für uns genau unter die Lupe genommen haben. Hier ihre Antworten.