Im Refugee-Team zu Olympia: Yekta Jamalis Traum erfüllt sich

    Teil des Refugee-Teams:Yektas Traum von Olympia geht in Erfüllung

    von Lars Becker
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    Mit 17 Jahren flüchtete die Iranerin Yekta Jamali nach Deutschland - nun startet die Gewichtheberin als Teil des internationalen Refugee-Teams bei den Olympischen Spielen in Paris.

    Yekta Jamali
    Schon als Kind träumte Yekta Jamali von der Teilnahme an Olympischen Spielen. Nun geht dieser in Paris in Erfüllung.
    Quelle: privat

    Für Yekta Jamali hat sich in diesen Tagen ein Traum erfüllt, den sie schon als Kind im Iran hatte. "Ich war so unglaublich glücklich, als es in einer Videokonferenz mit dem IOC verkündet wurde - ich darf bei Olympia in Paris dabei sein", erzählt die 19-Jährige mit einem strahlenden Lächeln.
    Die Gewichtheberin wird bei den Sommerspielen für das insgesamt 36 Sportler und Sportlerinnen umfassende internationale Refugee-Team starten.

    Mit unglaublichem Mut in ein neues Leben

    Viele besondere Geschichten haben diese Geflüchteten zu Olympia geführt, die von Yekta Jamali ist sicher eine der außergewöhnlichsten. Mit unglaublichem Mut wagte die Iranerin 2022 als 17-Jährige ganz allein und noch minderjährig die Flucht, um abseits des repressiven Mullah-Regimes ein neues Leben zu beginnen.
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    Als die dunkelhaarige junge Frau ihrer Heimat den Rücken kehrte, war sie gerade bei der Junioren-Weltmeisterschaft in Athen. Kurz nachdem Yekta Jamali dort Silber gewonnen hatte, entwischte sie ihren Bewachern und stieg in ein Flugzeug nach Deutschland. "Ich hatte ja ein Visum für die gesamte EU", berichtet sie:

    Ich wusste, dass ich in Deutschland meinen Sport weitermachen kann und dort alles besser ist.

    Yekta Jamali

    Über ihr Leben im Iran vor der Flucht möchte Yekta Jamali nicht so viel erzählen, um ihre Liebsten dort nicht zu gefährden. Nur so viel: "In meinem Land gibt es viele Probleme. Vor allem für Frauen ist es schwerer als für Männer. Du musst immer machen, was die sagen und kannst nicht Nein sagen."

    36 Sportlerinnen und Sportler wurden vom IOC für das Refugee-Team in Paris 2024 nominiert. Damit sind deutlich mehr Geflüchtete bei den Sommerspielen am Start als bei der Premiere in Rio 2016 (zehn) und in Tokio 2024 (29). Zehn der Nominierten trainieren in Deutschland. Die Übersicht des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB):

    Yekta Jamali (Iran), Gewichtheben, Trainingsstätte: OSP Heidelberg, in Deutschland seit: 2022
    Alaa Maso (Syrien), Schwimmen, Trainingsstätte: OSP Hannover, in Deutschland seit: 2015
    Kasra Mehdipournejad (Iran), Taekwondo, Trainingsstätte: TCC Friedrichshafen, in Deutschland seit: 2017
    Omid Ahmadisafa (Iran), Boxen, Trainingsstätte: OSP Berlin, in Deutschland seit: 2021
    Mohammad Amin Alsalami (Syrien), Leichtathletik, Trainingsstätte: OSP Berlin / SCC Berlin, in Deutschland seit: 2015
    Adnan Khankan (Syrien), Judo, Trainingsstätte: OSP Köln, in Deutschland seit: 2015
    Mahboubeh Barbari Yharfi (Iran), Judo, Trainingsstätte: Bayreuth, in Deutschland seit: 2019
    Saeid Fazloula (Iran), Kanu-Rennsport, Trainingsstätte: Rheinbrüder Karlsruhe, in Deutschland seit: 2015
    Arab Sibghatullah (Afghanistan), Judo, Trainingsstätte: Mönchengladbach, in Deutschland seit: 2023
    Amir Rezanejad Hassanjani (Iran), Kanu-Slalom, Trainingsstätte: Augsburg, in Deutschland seit: 2021

    Irans Regime kontrolliert auch die Sportszene

    Mit "die" sind die Mullah-Aufpasser gemeint, die auch die Sportszene kontrollieren. Die berüchtigte Sittenpolizei des Iran, die beispielsweise die Kopftuchpflicht mit Gewalt durchsetzt, ist inzwischen weltweit ein Begriff. Neben den Sport unpraktischen Kleidungsvorschriften kommen Schwierigkeiten beim Training - gleichzeitig will das Regime die Sportlerinnen aber als "Vorzeigefrauen" präsentieren.
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    Yekta Jamali hat eine andere Vorstellung vom Leben und ihrer sportlichen Karriere. Die präsentiert sie zum Beispiel ihren etwa 36.000 Followern auf Instagram - auch in ihrer Muttersprache Persisch.

    Wieder Kontakt zu Eltern

    Neben Posts von Wettkämpfen und Training zeigt sie sich auch als moderne Frau ohne Kopftuch. Der nach der Flucht schwierige Kontakt zu ihren Eltern, die sie anfangs noch tränenreich zur Rückkehr in den Iran überreden wollten, funktioniert inzwischen wieder stabil.
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    Wenn Yekta Jamali in Deutschland einmal müde oder traurig ist, denkt sie daran, was ihre Eltern immer wieder von ihr gefordert haben: "Sie haben mir immer gesagt, dass Frauen stark sein müssen."

    Training am Olympiastützpunkt Heidelberg

    Yekta Jamali hat sich ganz allen in ihrer neuen Heimat integriert und Freunde gefunden. Hauptsächlich besteht das neue Leben aus Training und Schule. Sie besucht die elfte Klasse eines Gymnasiums, spricht inzwischen schon sehr gut Deutsch und will nach dem Abitur später am liebsten Physiotherapeutin oder Krankenschwester werden.
    Yekta Jamali
    In Paris möchte Yekta Jamali ihre Bestleistungen toppen.
    Quelle: privat

    Zwölf Wochen vor Beginn der Sommerspiele von Paris steht jedoch das Training in Mutterstadt und am Olympiastützpunkt Heidelberg voll im Mittelpunkt ihres Lebens. Die starke Sportlerin will bei Olympia ihre Bestleistungen von 101 kg im Reißen und 126 kg im Stoßen - das ist jeweils deutlich mehr als ihr eigenes Körpergewicht - toppen.

    Jamali will ein "starkes Vorbild" sein

    In Paris wird Yekta Jamali voraussichtlich die Einzige sein, die die Leistungsfähigkeit des deutschen Gewichtheber-Systems nachweisen kann - deutsche Hantel-Athleten haben sich nicht qualifiziert.
    Das könnte sich bei den Olympischen Spielen 2028 in Los Angeles ändern. "Vielleicht habe ich ja bis dahin einen deutschen Pass und kann für Deutschland starten", sagt Yekta Jamali. Ihr Herz wird jedoch immer auch für ihre Heimat schlagen - als "starkes Vorbild" für die unterdrückten Frauen im Iran.
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